Cusco

In Quichua Qosq’o, der Nabel der Welt genannt, liegt die Stadt genau im Zentrum des ehemaligen Inkareichs, das sich von Kolumbien, bis in den Süden Chiles über tausende von Kilometer erstreckte. Nach einer etwa 30-stündigen Busreise, mit Zwischenstopp am Terminal in Lima, kommen wir am 26. August gegen Nachmittag an. Alles an uns fühlt sich müde und schmutzig an. Zum Glück gibt es im Hostel warmes Wasser. Cusco liegt auf etwa 3.400 Höhenmeter und wir wohnen im Künstlerviertel San Blas, was bedeutet, dass wir vom Zentrum aus noch viele Stufen den Berg hochsteigen müssen. Das Atmen fällt schwer. Wir haben Hunger und stellen sofort fest, dass auch die Preise deutlich höher sind, als in den Gegenden, in denen wir zuvor unterwegs waren. Auf dem Markt in San Blas kann man abseits der Touristen dennoch für 5 Soles ziemlich günstig essen. Auf der Plaza San Blas findet gerade ein Fest mit traditionellen Tänzen, Musik und Kunsthandwerkständen statt. Wir sehen eine Weile zu, flüchten uns aber mit zunehmender Kälte in das, trotzdem nicht viel wärmere Hostel.

Für den nächsten Tag hat Sophie uns bei einer „Free-Walking-Tour“ angemeldet. Eine schöne Möglichkeit einen Überblick über die fremde Stadt zu erhalten. Die Führung ist abgesehen von der Bitte nach Trinkgeld vollkommen gratis. Cusco war die Hauptstadt und das Zentrum des ehemaligen Inkareichs. Die ganze, heute etwa 480.000 Einwohner beherbergende Stadt, ist auf alten Inkaruinen erbaut. Wo früher Tempel und Paläste thronten, stehen heute Kirchen und Klöster. Obwohl so viele Dinge von der alten Inka Kultur zeugen, ist es schwer sich vorzustellen, wie das Stadtbild vor der spanischen Eroberung ausgesehen haben muss. Der Legende nach wurde Cusco im 12. Jhd. gegründet und später vor allem durch Pachacutec (den neunten Inka) ausgebaut. Die Inka waren ganz hervorragende Architekten. Sie legten die Stadt in Gestalt eines Puma an, der neben der Schlange und dem Kondor eines der heilige Tiere ihres Glaubens war. Ihre Tempel bestanden aus dicken Steinmauern, indem sie die Steine aber so schliffen, das sie millimetergenau aufeinanderpassten, erreichten sie eine Stabilität, die bis heute anhält. Durch eine Reihe beweglicher Steine am Fundament der Mauern halten diese sogar stärkeren Erdbeben stand.

Auf der Plaza de Armas, dem zentralen Platz im Zentrum der Stadt ist an diesem Sonntag viel los. Zwar gibt es jeden Sonntag auf diesem Platz eine „marcha“, bei der die peruanische und die Flagge von Cusco gehisst und die Stadthymne gesungen wird, an diesem Sonntag wird aber die heilige Maria Rosa von Lima gefeiert. Militär, Polizei, zahlreiche Schul- und Kindergarten in Uniform und natürlich viele Schaulustige sind anwesend. Von den Treppen, die zur Kathedrale hochführen, schauen sie auf die Militärkapelle herunter. Auf der anderen Seite des Platzes haben Händler ihre Bücherstände aufgebaut. August ist „Monat des Buches“, daher auch die Büchermesse in Cajamarca.

Wenige Meter weiter, in den engen Gassen der Stadt ist es ruhiger. Wir sehen uns das alte Kanalisationssystem der Inka an, ebenfalls eine architektonische Meisterleistung. Von Cusco aus führen alte Inkawege in alle Ecken Südamerikas. Sie dienten als Verkehrsstraßen und Kommunikationswege für Boten, die über die hohen Anden hinweg Nachrichten zu Fuß durch das gesamte Imperium trugen.

Das Straßenbild Cuscos ist gesäumt von Cafés, Restaurants und Souvenirshops. Man ist merklich auf Touristen eingestellt. Agenturen bieten alle 50 Meter Ausflüge in die Umgebung an. Die „Free-Walking-Tour“ endet in einem Restaurant, in dem uns der hier klassische Cocktail Pisco Sour serviert wird. Dieser besteht aus Pisco, Zuckersirup, Limette und Eiweiß. Wir essen wieder auf dem Markt, dieses Mal allerdings nicht in San Blas, sondern auf dem Mercado San Pedro.  

In der Umgebung Cuscos gibt es neben Machu Picchu und den Regenbogenbergen (über die ich bereits berichtete) verschiedene archäologische Stätten. Das Boleto Turistico bietet Zutritt zu einer Vielzahl von Attraktionen in- und außerhalb Cuscos. Wir besichtigen mehrere dieser Stätten, unter ihnen Tipon, Pikillaqta, Chinchero und Moray. Bei Tipon handelt es sich um eine ehemalige Gartenanlage der Inka, wobei heutzutage keinerlei Gewächse, abgesehen von dem durch Touristen niedergetrampeltes Gras, zu sehen sind. Hier gibt es eine ewig fließende noch aus Inka Zeit stammende Wasserversorgung. Niemand weiß genau woher das Wasser stammt, das sowohl in der Regenzeit, als auch zur Trockenperiode immer gleichmäßig fließt. Pikillaqta ist eine präinka Stätte, die einst von einem hohen Wall umgebene Stadt gehörte den Wari, die sie allerdings noch vor der Eroberung durch die Inka verließen, um weiter nach Süden, in Richtung des Titicacasees zu ziehen. Die Inka nutzten die verlassene Stadt später als Handelsplatz.

An unserem letzten Tag in Cusco besichtigten wir die Salzterrassen von Maras, Moray und Chinchero. Dazu nahmen wir das Colectivo von Cusco aus und ab der Abzweigung Richtung Maras ein Taxi. Moray sieht zwar aus wie ein Ufo-Landeplatz, ist aber eigentlich eine ehemals für Agrarkultur verwendete Inkakonstruktion. Auf den terrassenförmig angelegten Abstufungen wuchsen damals verschiedene Pflanzen, wie etwa Kartoffeln oder Quinoa, die durch die besondere Konstruktion einfacher bewässert werden konnten.

Die Salzterrassen von Maras wollte ich unbedingt sehen und starrte deshalb auf dem Weg mit dem Taxi von Moray angestrengt aus dem Fenster. Das Auto bog um eine Kurve und da lag plötzlich unter uns weiß im Sonnenlicht schimmernd die ganze Pracht der in den Berg geschlagenen Becken. Wir bezahlten den (nicht im Boleto Turistico enthaltenen) Eintritt von 10 Sol und fanden uns augenblicklich von kleinen Verkaufsständen umgeben, die das in den Becken abgebaute Salz anpriesen. Nachdem wir die Verkäufer hinter uns gelassen hatten, reihte sich Becken an Becken, auf einer riesigen Fläche, die alle in unterschiedliche Färbungen getönt waren. Die Sonne schien so stark, dass es schwer war auf die weiße Fläche zu schauen, ohne die Augen zu schließen.

Auf dem Rückweg nach Cusco hielten wir in Chinchero, einem kleinen Dorf, dass auch eine archäologische Stätte beherbergen sollte. Wir aßen Chicharron und sahen uns ein wenig genauer um. Ein Stück weit den Berg hoch stand eine alte Kirche. In ihrem Inneren war es dunkel. Das Dach war vollkommen aus Holz, aber kunstvoll bemalt und so alt, dass die Farbe bereits an mehreren Stellen verblasst war. Draußen führte der Weg durch einen Bogen weiter zur Ruine. Das Wetter war schön und alles war in eine goldene Nachmittagssonne getaucht. Obwohl wir keine genaueren Informationen über die archäologische Stätte in Erfahrung bringen konnten, war es eine der schönsten Ruinen, die wir bisher besichtigt hatten. Eingehüllt in eine wundervolle Ruhe, umgeben von Wiesen und Bäumen spazierten wir bis zum späten Nachmittag durch die Anlage. Erst als wir dieses friedliche Bild ganz in uns eingesaugt hatten, fühlten wir uns bereit für die Weiterreise.

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