Der Mittwoch vor dem Donnerstag an dem Samuel zurück nach Deutschland fliegen sollte kam herbei und wir sollten an diesem Tag ein ziemlich spontanes Konzert spielen. Erst am Freitag hatte uns Ana davon erzählt und es wurden alle Lieder dafür herausgekramt, die irgendwann mal gespielt worden waren. Wir sollten nämlich als Unterhaltungsmusik von 8 bis 11 Uhr abends spielen und eine solche Zeitspanne zu füllen ist natürlich nicht so einfach. Das Konzert sollte an der „Nueve de Octubere“, im zweithöchsten Gebäude Ecuadors stattfinden. Dort treffen sich jedes Jahr, die Vertreter irgendeiner deutschen Firma, die ihr Business vermutlich aus Kostengründen nach Südamerika exportiert hatten.
Gegen Nachmittag luden wir, wie vor fast jedem Konzert die Instrumente auf ein Camioneta und machten uns damit auf den Weg ins Zentrum. Als der Wagen wenige Meter vor dem Ziel den Geist aufgab (so etwas wie „Tüff“ existiert in Ecuador praktisch nicht) stiegen alle (bis auf ich – als Frau darf ich natürlich nicht helfen) aus und schieben den Wagen an. Schließlich öffnet der Fahrer die Motorhaube, putzt gute zwanzig Minuten die verschiedensten Teile und lässt danach seelenruhig das Auto wieder an. Dann folgt der beschwerliche Aufstieg in den 33. Stock. Am Eingang wollen sie mich ohne Ausweis zuerst gar nicht einlassen. Gute Frage wie das die ganzen deutschen Business Männer machen, die haben bestimmt nicht alle einen ecuadorianischen Ausweis. Das Auto kann nur bis zum vierten Stockwerk hinauffahren. Von dort aus müssen wir die ganzen Instrumente (Geige, Trompete, Posaune, Schlagzeug, Klavier, die Congas und noch einiges mehr) ausladen und zum Aufzug schleppen. Mit dem fahren wir bis zum 32. Sock. Weiter geht nicht. Das ganze Zeug muss von dort aus weiter ein Stück den Gang entlang und eine Treppe hinauf oder in einen anderen Aufzug geschleppt werden, der einen Stock weiter hinauf fährt. Endlich im richtigen Stockwerk müssen die Sachen nur noch erneut den Gang entlang in den Vorstellungsraum getragen werden. Von dort aus nun endlich hat man einen atemberaubenden Blick auf Guayaquil! Die zwei Außenwände der Raumes dastehen praktisch aus einer einzigen Fensterfront. Man kann sich dort auf das „Fensterbrett“ setzten und die Autos beobachten, die von dort aus aussehen, wie kleine Spielzeuge. Das sonst so große Denkmal am Malechon ist kaum zu erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite erheben sich majestätisch im Licht der schon untergehenden Sonne „las Peñas“.
Es ist eine wunderbare Kulisse für ein Vorspiel. Wir bauen alles zeitnah auf und stellen das Logo von Clave de Sur auf. Dann folgt ein unterhaltungsreicher Abend. Es wird Jazz gespielt und vor allem viel improvisiert. Welch Glück, dass Samuel noch da ist! Damit haben wir einen begnadeten Pianisten, der mit links einen halben Abend Jazz ohne ein einziges Notenblatt spielen kann. Das Publikum ist zufrieden und gewährt uns freies Essen und Trinken. Vor allem von dem letzteren wird heftig Gebrauch gemacht. Um elf verlassen alle in Hochstimmung den 33. Stock. Jetzt müssen nur noch die Instrumente zurück in den vierten Stock geschleppt werden. Auf dem Weg zurück in den Guasmo wird getrunken, was Daniel von der Bar mitgehen hat lassen. Fünf Flaschen Bier, zwei Flaschen Champagner und zwei Gläser, die jetzt keiner mehr für notwendig hält…
Am nächsten Morgen ist Samuels letzter Tag im Guasmo und außerdem der Geburtstag von Rafael. Das heißt Kuchen backen! Alban und ich treffen uns morgens, um den Teig vorzubereiten und nach einigen Schwierigkeiten (meine Gastschwester behauptete, dass alle unsere Töpfe nicht ofenfest seien) landet der Kuchen endlich im Ofen gegenüber. Am Nachmittag wird er auf der Terrasse verspeist. Dann drehen wir alle eine letzte Tour durch den Guasmo und Samuel verabschiedet sich von denen, die nicht mit zum Flughafen kommen. Die anderen steigen ins Camioneta und begeben sich in Richtung Flughafen. Dort angekommen heißt es wie immer an Flughäfen – Warten. Und wir warten extra lange. Weil sich Daniel nämlich verspätet hat und Samuel nicht fliegen will, ohne sich von ihm zu verabschieden. Endlich, etwa eines Stunde nach Samuels eigentlicher Boarding Time, hastet Daniel herbei. Alle werden umarmt, alle werden verabschiedet. Ich fühle mich etwas seltsam, wenn ich daran denke, dass ich in wenigen Monaten an demselben Ort stehen werde, um mich von meinen neuen Freunden zu verabschieden. Ich bin froh, dass meine Zeit noch nicht abgelaufen ist.
Dann geht Samuel, solange winkend, bis eine Mauer uns die Sicht versperrt und man ihn absolut nicht mehr sehen kann…