142 Tage – Es fühlt sich an, als hätte ich den Atem angehalten!
Ich hatte keine Vorstellung davon, wie meine Rückkehr nach Guayaquil werden würde. Natürlich hoffte ich auf das beste, aber mir kam jetzt alles so unendlich weit weg vor, dass ich einfach nicht glauben konnte, dass man diese Distanz durch einen Tag im Flugzeug überbrücken könnte. Ich war der festen Überzeugung, irgendwas müsse bei der Reise schiefgehen und seltsamerweise bestätigten sich meine Vorahnungen. Als ich nach zwei Stunden Zugfahrt am Frankfurter Flughafen ankam und mein Terminal gefunden hatte, war mein Abflug auf den Monitoren unsichtbar. Ich suchte den Iberia Check-in Schalter, aber auch hier war niemand. Ich dachte an ein Irrtum meinerseits und suchte die Information auf. Ich sollte um 12:05 mit Iberia nach Madrid fliegen und dann von dort aus um 16:50 weiter nach Guayaquil. Aber der Mann an der Information erklärte mir: es müsse ein Fehler vorliegen, denn um 12:05 gäbe es keinen Flug nach Madrid. Also wurde ich zurück zum Iberia Schalter geschickt. Weil ich dort immer noch niemand vorfand, winkte ich den vorbeilaufenden Angestellten so lange zum bis jemand sich meiner annahm. Die Frau war leider nicht von Iberia und konnte mir darum auch nicht wirklich weiterhelfen. Ich sollte die Nummer der Airline anrufen, was sich als schwierig gestaltet, wenn man nur ein Handy mit einer ecuadorianischen Sim Karte hat. Ich war also ziemlich ratlos, als gerade eine andere Frau zum Schalter kam und sich nach demselben Flug erkundigte. Immerhin war ich nicht allein. Wir gingen erneut zur Information. Dort wurde uns erzählt, dass der Flug wohl schon im Dezember annulliert worden war und alle Gäste benachrichtigt und umgebucht worden waren. Was aber, wenn man keine Nachricht erhalten hatte?
Wieder wurden wir losgeschickt, um die am Iberia Schalter angegebene Nummer anzurufen. Meine Reisebegleitung besaß glücklicherweise ein funktionstüchtiges Handy, mit dessen Hilfe wir die nächsten 15 Minuten in der Warteschleife verbringen konnten. Also gingen wir zurück zur Information, die auf ihrem Festnetztelefon die gleiche Nummer wählte und ihrerseits auf ein Durchkommen hoffte. Während im Hintergrund die Warteschleife lief, bediente die wirklich sehr freundliche Dame an der Information weitere Kunden.
Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sich schließlich doch jemand am Telefon meldete. Unsere Buchungscodes wurden angegeben und uns gesagt, die nächste Maschine nach Madrid gehe um 19:30 Uhr. Zu spät, wenn man bedenkt, dass ein Überseeflug nach Ecuador keine zweieinhalb Stunden, auf einen verlorenen Passagier wartet. Der Telefonkontakt konnte uns nicht helfen. Aber uns wurde versichert, dass man Personal zum Iberia Schalter schicken würde. Also erneute 15 Minuten warten. Dann endlich, hatten wir einen Ansprechpartner von Iberia vor unseren Augen. Zum Glück nahm sich dieser dem Problem an. Er rief erst einmal in Madrid an. Dabei stellte sich heraus, dass die Situation nicht so einfach war. Meine Reisebegleitung, die übrigens in Madrid einen Anschlussflug nach Miami nehmen wollte, hätte die Online Agentur benachrichtigen müssen, bei der sie den Flug gekauft hatte. Darum fühlte sich Iberia nicht zuständig. Bei mir sah die ganze Sache etwas anders aus. Anscheinend hatte man mich einfach komplett vergessen.
Bis jemand wusste, was zu tun war, dauerte es wieder eine ganze Weile. Ich hätte den Airline Angestellten gerne gesagt: Bitte lasst mich einfach nur nach Ecuador fliegen. Ich will einfach nur zu meinem Freund, er wartet am Flughafen auf mich und ich habe ihn fünf lange Monate nicht gesehen!
Ich war froh, als sich die Situation klärte. Ich bekam einen Zettel ausgedruckt, der anscheinend mein neues Flugticket sein sollte und auf dem vor allem ein ganzer Haufen von Zahlen stand. Mit diesem Zettel fragte ich mich durch den ganzen Flughafen, bis ich schließlich im Lufthansa Flugzeug nach Bogota saß. Von dort sollte ich einen Flug nach Guayaquil nehmen.
In Bogota am Flughafen musste ich mir dann erstmal einen Bordingpass für den nächsten Flug besorgen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon sehr müde, aber ich sagte mir immer wieder, dass die Reise nun nicht mehr lange wäre. Als das Flugzeug in Guayaquil landete und ich die Lichter der Straßen sah, die sich wie ein Netz um den in der Nacht pechschwarzen Rio Guayas zogen, fühlte es sich ein wenig nach Heimat an. Ich passierte die Passkontrolle, an der eine Frau verwirrt auf die etlichen Visa in meinem Pass starrte und ich sie ersteinmal auf das gerade aktuelle Visum aufmerksam machen musste. Dann holte ich meinen Koffer.
Es war so seltsam Daniel zu sehen und in den Armen zu halten. Es kam mir vor, als sei es eine Ewigkeit her gewesen, dass ich ihn gesehen hatte. Marcos fuhr mich mit dem Auto in den Guasmo. Es war jetzt schon nach zwei Uhr morgens und wir mussten meine Gastfamilie aus dem Schlaf klopfen. Im Haus hatte sich nahezu überhaupt nichts verändert. Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und hörte, wie mein Gastbruder zur Arbeit ging. Später stand ich auf. Dann redeten wir alle gemeinsam, erzählten uns von der Zeit, in der ich nicht da gewesen war. Ich durfte das Baby meiner Gastschwester in den Armen halten und stellte fest, wie unglaublich schnell es gewachsen war. Es war einen Monat alt gewesen, als ich gegangen war. Als ich meine Sachen wieder in meine alte Komode legte, den Koffer an den Rand meines Bettes stellte und mein Handtuch an den Nagel hängte, fühlte es sich so an, als wäre ich nie weggewesen. Alles war, wie es gewesen war und sein sollte. Ich frühstückte mit meinem Gastvater, ich duschte, ich wartete darauf, dass Daniel mich abholte…
Dann gingen wir zu Daniel nach Hause, dessen Haus sich in meiner Abwesenheit schon ein wenig verändert hatte. Aber Rene erkannte mich sofort, als ich den Fuß über die Schwelle setzte.
Daniel hatte eine Überraschung für mich: er hatte mir eine Torte gemacht, weil ich in der letzten Woche Geburtstag gehabt hatte. Dann sah ich auch Isaac und Michelle und alle sangen mir gemeinsam Happy Birthday. Es wurde gekocht und wir aßen alle gemeinsam an dem neuen Esstisch, den sich Daniels Familie in meiner Abwesenheit gekauft hatte.
Danach wurde ich müde, aber ich sagte Daniel, ich wolle nicht schlafen. Lieber wollte ich die Jungs besuchen. Also begaben wir uns auf eine Runde durch den Guasmo. Es war, als wäre ich nie fort gewesen, so vertraut wirkte alles. Wir gingen von Haus zu Haus und es machte Spaß zu sehen, wie sich meine Freunde immer aufs Neue überraschten. Erst, als ich sie alle in den Armen hielt, spürte ich, wie sehr ich die letzten 5 Monate den Atem angehalten hatte. Wir gingen zu Lady und spielten den Abend über ein Spiel. Später wurde ich wirklich sehr müde. Daniel brachte mich nach Hause. Ich spannte mein Moskitonetz auf, legte mich in mein Bett und starrte an die löchrige Decke. Ich schlief ein, während ich an diesen wunderschönen Tag dachte. Ich wusste, ich war wieder hier angekommen. es war, als sei ich zu Hause.