Nach Weihnachten begannen die Ferien und wir hatten (zu) viel Zeit bis zum 5. Januar. Im Guasmo gibt es keine wirklichen Freizeitmöglichkeiten und um sich nicht zu langweilen, muss man stets kreative Einfälle haben.
Eine dieser Ideen führten uns am 29. und 30. Dezember, bepackt mit Instrumenten auf eine Odyssee ins Zentrum Guayaquils. Wir hatten uns fest vorgenommen, Straßenmusik zu machen und den ganzen 28. Dezember im Haus von John geprobt. Nun fühlten wir uns bereit, unsere musikalischen Kenntnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. Morgens um 10 zogen wir los. Samuel mit seiner Melodika, Alban die Cajon unter dem Arm, John und Daniel mit je einer Gitarre und natürlich ich, die Geige auf dem Rücken.
Wir spielten Jazz! Ich hatte davor noch fast nie Jazz gespielt und sowieso noch nie ein Solo improvisiert und so konnte ich viel lernen in diesen zwei Tagen. Zu Anfang spielten wir in etwa eineinhalb Stunden im Park des Plaza Centenario, wo wir in etwa 20 Dollar verdienten. Auch den Aufsehern, die den Park „bewachten“, schien die Musik zu gefallen, denn anstatt uns (wie wir zuerst glaubten) aus der Anlage zu vertreiben, fragten sie, ob sie sich die Geige einmal genau ansehen dürften.
Später zogen wir allerdings weiter, die Straße hinunter in Richtung Malechon. wir spielten mal hier, mal dort, aber an keinem Ort hatten wir so viel Erfolg wie im Park. Wir aßen Chaulafán zu Mittag und trafen eine Kolumbianerin, die unbedingt mit uns singen wollte, aber keine unserer Lieder kannte. Am Nachmittag setzten wir uns dann schon ziemlich müde an den Malechon und spielten UNO.
Als wir dann wieder spielen wollten, vertrieben uns die Aufseher sofort von der gut besuchten Uferpromenade. Wir versuchten trotzdem noch etwas weiterzuspielen, gaben es aber auf, als drei Sicherheitsbeamte auf uns zukämen und uns Versicherten, wenn wir nicht verschwänden würden sie die Polizei rufen.
Daraufhin beschlossen wir nach den Peñas zu gehen. Auf dem Weg dorthin trafen wir einen Violinisten, der ein wenig mit uns spielte, bevor er zu einem Auftritt in eine Bar verschwand. Wir stiegen also die Treppen zu las Peñas hinauf und dort ganz oben, neben dem Leuchtturm spielten wir. Es war inzwischen dunkel und die Lichter Guayaquils schimmerten unter uns.
Am Ende des Tages blieben uns ca 25 Dollar. Den Rest hatten wir für Essen und Trinken ausgegeben. Da aber alle viel Spaß am Spielen gehabt hatten, beschlossen wir am nächsten Morgen noch einmal loszuziehen. Dieses Mal brachen wir, nachdem wir Daniel in seinem Haus abgeholt und ich sein Frühstück gegessen hatte, schon um neun auf.
Die Straßen waren gesäumt von großen und kleinen Figuren aus Pappmaschee, die im letzten Augenblick für Silvester bemalt und verkauft wurden. Da gab es Micky Maus, Cinderella, Homer Simpson und noch einige andere Disneyfiguren, in zum Teil überlebensgroßen Dimensionen.
Im Zentrum spielten wir wieder ein wenig im Park, aber als John und Diego kamen und anfingen zu Rappen, wurde es den Aufsehern zu viel und sie legten uns nahe z verschwinden. Vielleicht entsprach der Rap einfach nicht ihrem Geschmack und sie hatten Angst der junge Guasmeñio, der in seinem Lied gegen Drogenkonsum protestierte, könnte einen schlechten Eindruck erwecken. Jedenfalls streunten wir in etwa eine Stunde in der sengenden Mittagshitze umher, spielten in der Nähe der Baía und vor dem Parque Leguana. Schließlich packten wir mit insgesamt 50 Dollar, von diesem und dem Vortag unsere Sachen.
Im Bus packte ich meine Geige aus und übte zusammen mit Daniel „Happy Birthday“. Die Gastschwester von Samuel wurde an diesem Tag vierzehn und wir beschlossen sie mit einem Ständchen zu überraschen. Als Dank lud sie uns am Abend zu ihrem Fest ein und wir aßen Reis und Kuchen und spielten mit einer ganzen Horde Kinder UNO.
Am nächsten Morgen wurde dann das Geld aufgeteilt, sodass schließlich jeder mit 10 Dollar mehr ins neue Jahr starten konnte…