Guayaquil – keine heile Welt

Wenn ich im Guasmo bin, vergesse ich immer wieder, wie gefährlich es eigentlich doch sein kann. Aber meine Freunde erinnern mich daran und das ist auch gut so, denn so werde ich nicht zu leichtsinnig. Manchmal bleibe ich abends lange bei Daniel zu Hause, wir hören Musik und schauen Filme und wenn es dann spät ist, hat Daniel immer Angst auf die Straße zu gehen. Dabei ist mein Haus nur 3 Minuten zu Fuß von seinem entfernt. Wir gehen dann ganz wachsam und immer wenn wir ein Motorrad hören zucken wir beide zusammen.

Dass Guayaquil eine gefährliche Stadt ist, müssen hunderte von Menschen dort jeden Tag erfahren. Weil sie ausgeraubt werden, weil neben ihnen jemand Drogen verkauft oder weil in der Querstraße jemand erschossen wurde. In den Nachrichten sieht man das so oft, aber keiner erschrickt wirklich, wenn er nicht direkt betroffen ist.

Eine ganz große Gefahr in Guayaquil ist auch der Verkehr. Im Gegensatz zu Deutschland fahren die Menschen viel unverantwortlicher. Schon als Fußgänger muss man sehr aufpassen. Im März bekamen wir diese Gefahr zu spühren, als der Vater eines Freundes aus Clave de Sur bei einem Autounfall ums Leben kam. Das Paradoxe: Er war nicht einmal im Auto gesessen. Spontan sammelten wir Spenden, um die Familie zu unterstützen. Alle waren sehr traurig. Am Velorio war die ganze Straße voller Menschen, um ihr Beileid auszudrücken.

Einige Wochen später verschwand Marcos beim Taxifahren. Drei bewaffnete Männer stahlen ihm das Auto und hielten ihn drei Stunden im Keller gefangen, bevor sie ihn unter einer Brücke wieder „aussetzten“. Daniel und ich besuchten ihn am nächsten Tag. Er hatte sich furchtbar erschrocken, aber er war glücklich noch am Leben zu sein. Er sagte, er würde nie wieder Taxi fahren. Einige Monate später, arbeitete er wieder als Taxifahrer.

Diese Beispiele verdeutlichen nur meinen Punkt: Guayaquil ist keine heile Welt. Ich war nur eine Woche wieder in Deutschland, als ein Erdbeeben der Stärke 7,8 ganz Ecuador erschütterte. Es starben über 600 Menschen. Auch in Guayaquil stürzten Häuser in sich zusammen. Ich bin bis heute unglaublich froh, dass keinem meiner Freunde etwas passiert ist.

Ob mich all das abschreckt? Nein, überhaupt nicht. Ich würde jederzeit wieder nach Ecuador reisen, wäre jetzt vielleicht schon dort, wenn mir die Botschaft ein Visum ausstellen könnte. Aber man muss es im Hinterkopf behalten. In Ecuador herrschen andere Regeln, als in Deutschland. Man muss vorsichtig sein. Man muss sich die Menschen genau ansehen. Man kann nicht jedem vertrauen. Man kann mittags nicht jede Straße nehmen, man kann abends nicht alleine nach Hause laufen. Als Ausländer vergessen wir das schnell, denn die Gefahr kann man nicht sehen. Aber Daniel sagte einmal zu mir: „Jedesmal wenn ich aus dem Haus gehe, hoffe ich, dass nichts schlimmes passiert.“

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