Von der Küste in den Regenwald

Um etwa Viertel nach acht Uhr abends, brach ich mit Rafael, der mich liebenswerter Weise zum Bus Terminal brachte, im Guasmo auf. Um zehn sollte unser Bus nach Tena abfahren. Als wir nach einigem Hin- und Her endlich im Bus waren, wollten wir schlafen, aber es war so eng und vor allem so kalt, dass das schwer möglich schien. Schlussendlich lag ich quer über der Sitzbank, während Ronja sich auf dem Boden zusammengerollt hatte und als ich nach etwa 10 Stunden unruhigen Schlafs hochschreckte, stellte ich mit größtem Erstaunen fest, dass alles um uns herum grün war. Wir waren im Regenwald!
Wenn man Nachts aus dem staubigen, schmutzigen und vor allem grauen Guayaquil losfährt, kann man sich keine größere Veränderung vorstellen, als morgens im Regenwald aufzuwachen, an einem Ort, der so das gänzliche Gegenteil von jenem darstellt, von dem man aufgebrochen ist.
Von Tena aus fuhren wir mit dem Taxi weiter nach Misahualli, ein kleines Dorf, in dem wir uns mit Samuel und Alban im Hostel trafen. Von dort aus ging es dann gleich weiter, noch tiefer hinein in den Regenwald. Die Jungs hatten eine drei-Tages-Tour in den Wald für uns vier organisiert und wir brachen sofort auf. Mit dem Kanu fuhren wir durch eine Lagune, von wo aus wir Vögel und kleine Affen beobachten konnten. Anschließend legten wir ein Stück zu Fuß zurück, wobei unser Führer uns einige Pflanzen erläuterte und gleichzeitig mit der Machete den zu gehenden Weg bahnte.
Zurück zu unserem Kanu und den Rio Napo ein Stück abwärts gefahren…-

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Dort bekamen wir je einen Reifen und eine Schwimmweste ausgeteilt, mit denen wir den Fluss bis zu einer bestimmten Stelle „hinunterraften“ sollten. Sonne, Wasser und eine hervorragende Aussicht begleiteten uns auf diesem Weg. Ich schloss die Augen (ich war noch ziemlich müde von der Busfahrt) und fühlte mich als sei ich in einem Traum und all das, was ich erlebte nicht real.

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Unser Rast- bzw. Übernachtungsplatz bestand aus einer Art unfertigen Finka. Auf Holzplanken, zu denen eine Treppe hinaufführte waren drei Zelte aufgebaut. Dort sollten wir die nächsten zwei Nächte verbringen. Luis, unser Guide erklärte uns, dass er gerade dabei sei, den Ort auszubauen und dass wir die ersten Touristen dort seine, eine Tatsache, die uns sehr stolz machte. Später stellte Luis uns dann noch seine Frau Ruth Mellian und seinen kleinen Sohn Christopher vor, die uns ebenfalls die nächsten Tage, zusammen mit dem Familienhund Lobo begleiten sollten.

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Nach dem Mittagessen hatten wir Zeit uns auszuruhen, noch einmal im Fluss zu baden und einfach die Natur zu genießen. Die Einheimischen Kinder beobachteten uns dabei mal mit freundlichem, mal mit skeptischem Interesse. Es kam wohl nicht alle Tage vor, dass vier Europäer mit ihnen im Fluss badeten.
Am Nachmittag brachen wir dann erneut für zwei weitere Stunden „Wald-und Pflanzenkunde“ auf. Hinter seiner Finka hat Luis ein kleines, tropisches Regenwaldreservat geschaffen. Er sammelt dort die verschiedensten Gewächse auf engstem Raum und konnte uns somit in kurzer Zeit eine immense Summe an Dingen zeigen. Eine Pflanze, die unsere Zunge betäubt, als wir sie essen,…- Coca-Blätter, die einem beim Arbeiten Kraft geben, weshalb sie so viele Menschen kauen,…- Eine Pflanze die auf natürliche Art und Weise Diabetes verhindern können soll,…- zahlreiche Blumen, Bananen und Gewächse die Wasser speichern, weshalb keiner je im Regenwald verdursten muss.

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Mich fasziniert die Art- und Weise auf die die Menschen hier leben. Auch bewundere ich Luis sehr, für sein ganzes Wissen. Ich hätte nie gedacht, wie viel uns die Natur wirklich lehren kann. Sie ist wie ein Haus, das uns mit offener Türe zulächelt und uns eintreten lässt, wenn wir den Weg finden. Wer weiß welche Pflanzen giftig sind, welche süß und welche nahrhaft, der findet hier ein kleines Paradies vor sich; dem hilft die Natur zu überleben… Und der kann hier sein Zelt aufschlagen, seine Söhne großziehen und von seinen Schwiegereltern die Schamanenkunst erlernen. – Kurz, der findet den Weg zu jenem Ort, der wohl einst für uns gedacht war und dem wir doch durch einen ewigen Kreislauf der Entwicklung so fremd geworden sind.

 

 

 

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