Das Konzert „Together for good“

Hallo!
Diesen Blogeintrag über unser Konzert im November 2015 habe ich schon vor langem geschrieben und wollte ihn im Advent veröffentlichen. Die Fotos vom Konzert wurden mir immer wieder versprochen, aus verschiedenen Gründen gelangten sie jedoch erst heute zu mir. Daher mit Verspätung – aber keine Sorge, das Lesen und Bilder Anschauen wird sich trotzdem noch lohnen.
Johannes

Vor uns ist alles dunkel. Und aus dem Finsteren schauen zig Augen nur auf uns. Wir sind strahlend hell von blendenden Scheinwerfern beleuchtet. Gerade war noch alles hektisch, schneller Umbau, zügig wurden die Instrumente gestimmt. Doch nun ist alles ruhig, nur unsere Herzen pochen eifrig. Jetzt ist er da, unser erster Auftritt. Die Geigen sind gehoben, die Bögen liegen auf den Saiten und konzentriert warten wir auf den Einsatz.

Am 28.11. fand das geniusHive End-of-year-concert unter dem Motto „Together for good“ in einer Kirche in Legon, dem Universitätsstadtteil von Accra, statt. Musiker und Musikschüler mit verschiedenen Beziehungen zur ghanaischen Musikschule geniusHive präsentierten ihr Können vor einem interessierten Publikum. Auch Schüler von Musiker ohne Grenzen waren auf der Bühne.

Schon über einem Monat vorher begannen die Geigenschüler im Kinder Paradise, ihren Beitrag zum Konzert zu üben. Sie spielten das griechische Lied „Xenina mja psaropula“. Aufgeteilt in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Stimmen spielten sie auf leeren Saiten. Ich spielte die Melodie dazu. Obwohl die Schüler nur auf leeren Saiten spielten, war das Stück nicht zu unterschätzen. Denn die 7/8-Taktart ist nicht nur für Anfänger ungewohnt. Der Rhythmus war daher etwas kompliziert und es war nicht einfach, immer zusammen und im Tempo zu bleiben. Doch mit Wörtern wie „orange juice, fanta, fanta!“ oder „violin, guitar, guitar!“ verstanden die Kinder Taktart und Rhythmus und hatten gleich viel mehr Spaß dabei.

Obwohl die Geigen-Anfänger in Nima erst im Oktober mit dem Unterricht begonnen hatten, war einer von ihnen in der Lage, dasselbe Stück bis zum Konzert aufführungsreif zu spielen.

Im Kinder Paradise übten die Geigenschüler also ihr griechisches Lied und Julius und ich begannen, dem Chor die vierstimmigen Lieder „In Christ alone“ und „Christmastime“ beizubringen. Da die Zeit zum Konzert am Ende knapp wurde, fuhren wir zweimal am Mittwochabend zur Chorprobe nach Prampram. Dort genossen wir nach anstrengenden, aber konstruktiven Proben ein hervorragendes nächtliches Spagetti-Mahl unterm Summerhut. Während ich jeweils bis Freitag zum Geigen- und Musikunterricht im Heim blieb, machte sich Julius auf den Weg nach Hause, wo er erst um 23 Uhr ankam. Julius, der Leiter von geniusHive, zeigt einen unglaublichen Einsatz für den Musikunterricht für Kinder und Jugendliche; besonders was das Straßenkinderheim betrifft. Das bestätigt, dass Musiker ohne Grenzen e.V. AK Ghana mit geniusHive einen tollen und verlässlichen, einheimischen Partner gefunden hat.

Christmastime sollte das letzte Stück im Konzert werden. Ein grandioser Abschluss mit großem Chor und Orchester. Für den Chor sollten zwei Chöre zusammen singen: Der Chor des Kinder Paradises und der Legon Interdenominational Church Choir. Die Instrumentalisten waren Lehrer und Schüler von geniusHive, die MoG-Streicher aus Nima, Nungua und Prampram, Mitglieder des Accra Symphony Orchestras, des National Symphony Orchestras und von Afro Maestros.

Am Sonntag vor dem Konzert gab es die erste gemeinsame Probe mit Geigen und Chor im Kinder Paradise. Die Kinder waren schon voller Vorfreude auf das Konzert. Die Generalprobe fand am Donnerstag in der Kirche in Legon statt. Die Kinder aus dem Kinderheim kamen mit ihrem Bus, für die Kinder aus Nima und Nungua mieteten wir einen Trotro. Obwohl es spät war und die Anreise lang, waren die Kinder bei der Probe sehr konzentriert. Mit so vielen anderen zusammen zu musizieren und andere Instrumentalschüler kennenzulernen, war für sie, wie sie erzählten, ein sehr schönes Erlebnis.

Am Samstag war es dann so weit. Ein Trotro, gestopft voll mit den aufführenden Schülern aus Nungua und Nima, sowie einigen interessierten Kindern aus Nima, die zum Zuschauen kamen, rollte auf den Parkplatz vor der Kirche. Auch der Kinder-Paradise-Bus und die anderen Beteiligten trafen ein. Aufbau, Soundcheck, die letzte Probe und auf einmal ging das Konzert schon los. Bernard, ein Celloschüler aus Nungua, spielte mit Isaac, dem Cellisten von geniusHive, ein Menuett von Bach.

Es folgten Stücke für Klavier, Querflöte, Geige und Gitarre, von Barock über Klassik und Romantik bis hin zur Moderne. Nach einer kleinen Umbaupause eröffneten die Geigen vom Kinder Paradise zusammen mit einem Geigenschüler aus Nima den letzten Konzertteil mit „Xenina mja psaropula“.

Wir fangen zusammen an. Töne, Rhythmus, Tempo, Wiederholung, Pausen – es klappt.
Gemeinsam fliegen unsere Bögen mit dem letzten Aufstrich in die Luft. Das Publikum beginnt, zu klatschen und wir wissen: Unser erster Auftritt – wir haben ihn gut gemacht.

Es folgte „In Christ alone“ und „Christmastime“. Das Publikum applaudierte begeistert.

Nach dem Konzert wollten die Zuhörer erst gar nicht gehen, so gut gefiel es ihnen. Dabei rundete die instrumentale Zugabe „See You Again“ das Programm ab und vermittelte die Botschaft: Bis zum nächsten Konzert!

Musik im Dschungel: Konzert im März

Leise zwitschern Vögel, rascheln Blätter, murmeln die Tiere und zischen und knurren und rufen. „In dem Dschungel, dem mächtigen Dschungel, schläft der Löwe heute Nacht.“

So beginnt der Chor den Hauptteil des Konzerts im Kinder Paradise, eine Woche vor Ostern. Vorher haben vier Jugendliche aus dem Kinder Paradise ein selbst einstudiertes, mehrstimmiges Stück gesungen und genauso wie die darauffolgenden Aufführungen zweier Klavierschülerinnen von geniusHive das Publikum musikalisch eingestimmt.

Der kleine Mowgli wird als ausgesetztes Baby im indischen Dschungel vom schwarzen Panther Bagheera gefunden. Dieser bringt Mowgli zu einer Wölfin, die ihn in ihrem Rudel aufzieht. Dabei meistert das jüngste Kind im Kinder Paradise ihren Schauspielpart zwischen Scheinwerfer und weißen Laken. Stimmungsvoll untermalt wird dieser Beginn des Schattenspiels von einem Duett von Xorlali und Bernard, zwei Celloschülern aus Nungua.

Zehn Jahre später erfahren die Wölfe, dass der gefährliche Tiger Shere Khan in ihr Gebiet des Dschungels zurückgekehrt ist. Gemeinsam mit Bagheera wollen sie Mowgli zu seiner Sicherheit in ein Menschendorf bringen. Auf dem Weg verbringen Mowgli und Bagheera die Nacht unter einem Baum. Kaum hat Mowgli es sich bequem gemacht, kommt die hungrige Schlange Kaa zwischen den Blättern hervor.

Dieses Mal springen meine Geigenschüler nicht auf und rennen zur Schlange. So wie damals, als ich Gruppenunterricht in einem Klassenzimmer gab und alle Kinder samt Geigen und Bögen plötzlich aufgeregt rausrannten, um zuzusehen, wie die Schlange, die nicht weit vom Unterrichtsraum gefunden wurde, getötet wurde. Nein, diesmal sitzen sie im Orchester, lauschen der Geschichte, schauen der Schlange im Schattenspiel zu und warten auf ihren ersten Einsatz.

Die Schlange hypnotisiert Mowgli, während Lisa das Publikum mit mysteriösen Flötenklängen in den Bann zieht. Bagheera rettet Mowgli, bevor die Schlange ihm etwas antut. Am nächsten Morgen marschiert eine Elefanten-Herde vorbei.

„Hup, two, three, four!“ Der Chor, bestehend aus Schülern aus Nima und aus dem Kinder Paradise, singt den Elefantenmarsch und spielt dazu mit Boomwhackern, das sind gestimmte Plastikröhren. Der Elefant im Schattenspiel ist so groß, dass er von zwei Kindern in einem Kostüm gespielt wird. Die Szene erinnert mich an den Besuch im Mole-Nationalpark im Norden Ghanas. Schnell und leise waren wir zwei riesigen Elefanten aus dem Weg gegangen, die daraufhin gemächlich und majestätisch an uns vorbeischritten.

Anschließend weigert sich Mowgli, ins Menschendorf zu gehen, was zum Streit mit Bagheera führt. Die Beiden trennen sich und Mowgli trifft auf Baloo, den Bären, der ihm zeigt, wie man das Leben im Dschungel genießt. „The bare necessities of life will come to you!“: Der Chor aus 30 Personen und das 40-köpfige Orchester mit Geigen, Bratschen, Celli, Querflöten und Klarinetten faszinieren gemeinsam das Publikum, während Baloo und Mowgli im Schattenspiel dazu tanzen.

Kurz darauf wird der Dschungeljunge von Affen gekidnappt und zum Affenkönig King Loui gebracht. Dieser will von Mowgli lernen, wie man Feuer macht und dadurch so mächtig werden wie der Mensch. Chor und Orchester führen „Ich wär‘ so gern wie du“ auf, während sich im Schattenspiel ein Kind zum Affen macht.

Baloo und Bagheera befreien Mowgli aus der Situation und sind nun der festen Meinung, dass der Dschungel für Menschen zu gefährlich ist. Mowgli haut daraufhin erneut von seinen zwei Freunden ab. Shere Khan ist inzwischen dem Jungen auf der Spur. Mowgli macht mit Geiern Bekanntschaft, die sich als seine Freunde anpreisen. „We are your friends to the bitter end!“ Der Chor singt mehrstimmig das Lied der Geier. Als das Lied endet, kommt der Tiger Shere Khan. Die Maske im Schattenspiel ist beeindruckend und die Trommel hinter der Bühne erhöht die Spannung.

Bevor Shere Khan sich auf Mowgli stürzen kann, greift Baloo den Tiger gerade noch rechtzeitig an und rettet so Mowglis Leben. Es kommt zu einem heftigen Kampf. Streicher und Klavier spielen ein schnelles, spannendes Stück. Mowgli verjagt Shere Khan mit Zweigen, die Feuer gefangen hatten. Nach dem Kampf findet Bagheera Baloo bewegungslos und verletzt am Boden liegen und erklärt Mowgli, dass Baloo nun im Himmel ist.

Ein Geigen- und ein Klavierschüler aus dem Kinder Paradise haben nun ihren solistischen Auftritt. Sie spielen ein Stück in Moll, in dem man das Säufzen und die Trauer von Mowgli und Bagheera hören kann. Beide lernen ihr Instrument erst seit einem halben Jahr und beeindrucken das Publikum.

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Doch plötzlich bewegt sich Baloo. Er hat überlebt! Die Streicher feiern das mit einem schnellen Stück – fröhlich und ausgelassen.

Mowgli widerstrebt es immer noch, dass der Bär und der Panther ihn aus dem Dschungel bringen wollen. Doch auf dem Weg zum Dorf trifft er ein schönes Mädchen, das Wasser schöpft.

Zwei Mädchen singen vom Wasserschöpfen, vom Erwachsenwerden und vom Zuhause. Sie werden mit Klavier begleitet.

Die Schönheit und die Stimme des Mädchens beeindrucken Mowgli. Als sie ihn bemerkt, lässt sie ihre Schüssel ins Wasser fallen. Mowgli holt die Schüssel für sie und folgt ihr damit ins Dorf. Baloo und Bagheera sind froh, dass der Junge endlich in Sicherheit ist. Es folgt ein zweites Geige-Klavier-Duo zum Abschluss.

Der Applaus für die Musiker und Schauspieler ist groß. Das Publikum ist froh, dass das Konzert noch nicht ganz aus ist: Die Celli setzen mit Jan am Kontrabass und Elias am Xylophon ein. Und bei den meisten dürfte es schon rattern… „Das kenne ich doch!“ Joel spielt den rhythmisch komplizierten Anfang auf der Geige, dann setzt das Orchester ein – mit dem Refrain von Telemo. Telemo ist ein Rap-Song auf einer ghanaischen Sprache, der nach meiner Ankunft aus allen Boxen kam. Im Trotro, am Straßenrand, in Läden… Auch die Kinder mochten das Lied, also schrieb ich eine Orchesterfassung. Sofie studierte das Stück mit dem Chor ein, was vor allem wegen des Textes eine große Herausforderung war. Und die ersten Geigen meisterten bis zum Konzert ihre schwere Stimme auch im Tempo. Nach dem instrumentalen Refrain stößt der Chor dazu. Kurz vor Ende rappt ein Junge, begleitet vom Orchester, ehe zum letzten Mal der Refrain erklang.

Die Begeisterung der Zuhörer war groß und wir hörten die Forderung, Telemo gleich nochmal zu spielen. Sowohl für die Aufführenden, als auch für das Publikum und uns Freiwillige, war das Konzert ein schönes, gelungenes Ereignis.

Liebe Grüße,

Euer Johannes

Gute Stimmung beim Probentag

Eine Woche vor dem März-Konzert hatten wir einen Probentag in der Musikschule geniusHive. Die Wochen vorher hatten wir in den Schulen in Nima und Nungua und im Kinder Paradise die Stücke mit den Schülern geprobt. Die Flötenlehrerin Lisa ist seit Anfang März die ganze Woche in unserem Projekt. Jan und Joel, zwei Studenten, die vor zwei Jahren als Freiwillige das Musikprojekt in Accra voranbrachten, kamen für sechs Wochen zu Besuch in ihre zweite Heimat. Sie brachten sechs Geigen und ein Cello mit; herzlichen Dank an die Spender! Neben Reisen und Wiedersehen mit ghanaischen Freunden, bereiteten sie das Konzert mit vor und unterrichteten die Streicher. Jan studierte mit einigen Kindern im Kinder Paradise ein Schattenspiel zum Dschungelbuch ein. Fast zeitgleich mit Jan und Joel kam Elias, ein Freiwilliger aus der Schweiz, von Tamale, einer Stadt im Norden Ghanas, zu uns ins Musikprojekt nach Accra, um für einen Monat in Nima und im Kinder Paradise Gitarre zu unterrichten. Er half auch bei der Durchführung von Konzert und Proben.

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In der Nacht vor dem Probentag waren wir fünf „Obrunis“ (Twi für Weiße) und eine Ghanaerin, die gemeinsam Joels Geburtstag feierten. Am Morgen mussten wir natürlich bald aus den Betten und so fiel die Nacht sehr kurz aus. Während Jan am nächsten Morgen die Stuhllieferung entgegennahm und aufbaute, machten sich Joel und ich zum „Circle“, dem größten Verkehrsknotenpunkt Accras, auf, um dort ein Trotro für den Transport der Kinder und Instrumente von Nima zu mieten. Sofie und Elias fuhren nach Nungua und sammelten dort die Schüler ein. Auch Julius Söhne und eine seiner Klavierschülerinnen kamen. Alles klappte sehr gut, bis die Nachricht kam, der Bus vom Kinder Paradise sei auf dem Weg liegengeblieben. Schließlich trafen auch die Orchester- und Chormitglieder aus dem Kinderheim mit anderen Bussen ein und wir konnten mit den Stimmproben beginnen. Joel leitete die ersten Geigen, ich die zweiten, die Bratschen wurden aufgeteilt, Jan probte mit den Celli, Lisa mit den Flöten und Sofie mit dem Chor. Bis zum Mittagessen wurde in diesen Gruppen geübt, dann hatten sich die Kinder Kenkey mit Fisch wahrlich verdient. Wir waren wirklich sehr angetan von dem guten Verhalten und der Konzentration der Kinder.

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Nach dem Mittagessen gab es eine Probe mit allen Kindern zusammen. Die Stimmung war gut; nicht nur die der Instrumente. Für einen großen Teil war es das erste Mal, mit so vielen anderen zusammen zu musizieren. Und für uns war es toll, 40 unserer Instrumentalschüler zusammen mit dem Chor aus mehr als 20 Leuten spielen zu sehen. Auch mit dem Verlauf der Gesamtprobe waren wir zufrieden, das Zusammenspiel klappte immer besser und die Befürchtungen, dass das Konzert nicht klappen könnte, waren endlich vom Tisch. Die Kinder und Jugendlichen von Nima und Nungua fuhren um halb vier wieder zurück. Die Leute vom Kinder Paradise jedoch warteten immer noch auf ihren Bus von der Werkstatt, als ich aus Nima zurückkam. Manche nutzen die Chance, nochmal ihr Instrument auszupacken und gemeinsam Musik zu machen bis der Bus letztlich kam.

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Wir freuen uns, dass dieser Probentag so durchgeführt werden konnte und sind dankbar für die Unterstützung vom Kinder Paradise, geniusHive und den Spendern. Nicht nur wir Freiwillige waren zufrieden mit dem Orchesterspiel und der Disziplin der Kinder. Auch den Kindern konnte man ansehen, dass es ihnen Spaß gemacht hat und manche erzählten noch in der folgenden Woche vom Essen, Trinken und der Süßigkeit zur Belohnung.

Musik im Paradies

Prampram, ein Fischerdorf an der Küste Ghanas, 45 Kilometer östlich von Accra. Hier geht es bei weitem nicht so geschäftig zu, wie in der Hauptstadt. Es ist Donnerstagmorgen, Julius und ich sitzen im Auto. Bach kommt aus den Lautsprechern. Kaum sind wir in Prampram, sind wir auch schon wieder draußen. Wir folgen der Straße ein paar weitere Minuten bis zum bunten Wegweißer mit der Aufschrift „KINDER PARADISE“.

Als ich das erste Mal ins Kinder Paradise kam, sah ich, wie zutreffend der Name für dieses Heim für Waisen- und Straßenkinder ist. Kokosnusspalmen und Mangobäume spenden Schatten vor der Sonne. Vom Meer, das man tiefblau in der Ferne sieht, kommt ein erfrischender Wind. Schöne Vögel fliegen umher und Echsen sonnen sich. Und Kinder spielen oder gehen ihren Tätigkeiten nach.
Das Gelände ist groß: Es gibt u.a. eine Halle für Mahlzeiten, Versammlungen und Veranstaltungen, drei Wohnhäuser für die Kinder, eine Krankenstation, sowie ein Haus für Mitarbeiter. Die Kinder können sich auf Spielplatz, Fußballfeld und Basketballfeld austoben.

Dennoch – die etwa 75 Kinder, die hier leben, kann ich nicht beneiden. Schwere Vergangenheiten, Leben auf der Straße und keine Familie, die sich um sie kümmert. Hier bekommen sie eine neue Chance, sie erhalten Fürsorge und individuelle Förderung. Zudem gehen sie auf eine staatlich anerkannte Schule, die ebenfalls auf dem Gelände liegt. Die Vision, Straßenkinder als produktive und vorbildhafte Mitglieder in die ghanaische Gesellschaft zu reintegrieren, ist kein Traum, sondern Realität.

In Ghana ist die Äußerung von Emotionen weitgehend tabuisiert. Das stellt ein Problem dar, dem man im Kinder Paradise begegnet. Denn dadurch ist es schwer, einen Einblick in die Gefühlswelt der Kinder zu bekommen. Den Kindern fällt es nicht leicht, ihre Vergangenheit und ihre Probleme zu verarbeiten. Musik soll hier helfen: Sie soll den Kindern eine Ausdrucksmöglichkeit geben und Gelegenheit schaffen, in der Trauer zu entspannen, in der Wut herunterzukommen und in der Fröhlichkeit zu genießen.


Julius und ich steigen aus dem Auto und gehen zum Schulgelände. Julius geht zur dritten, ich zur vierten Klasse. Wir unterrichten Musik. Bis jetzt haben wir hauptsächlich Noten lesen beigebracht. Wir haben Rhythmen geklatscht, Lieder gesungen und Musik angehört. Zurzeit behandeln wir das musikalische Märchen „Peter und der Wolf“. Die Kinder lernen dabei über die verschiedenen Instrumente und über das Orchester.

Wie in Schulklassen üblich – egal ob in Deutschland oder Ghana – sind nicht immer alle Kinder voll und ganz bei der Sache. In Ghana sind Schläge noch eine häufige Bestrafungsmethode, was ich an anderem Ort leider immer wieder miterlebe. Doch das wird in dieser Schule zum Glück ausnahmslos nicht praktiziert.

Nach der Schule gibt es donnerstags Waakye, das ist Reis mit Bohnen. Hier im Kinder Paradise schmeckt es besonders gut. Anschließend macht sich Julius auf den Weg zurück nach Accra.
Seit diesem Schuljahr wird im Kinder Paradise Geige, Klavier und Gitarre unterrichtet. Die Lehrer von geniusHive arbeiten hier ehrenamtlich: Genevieve und Julius unterrichten Klavier, Joshua Gitarre.

Nach der Schule unterrichte ich sechs Geigenschüler. Manchmal unterrichte ich sie in Kleingruppen, oft auch einzeln. Das hat sich als wesentlich produktiver herausgestellt, als der Unterricht mit der ganzen Gruppe.

Es wird für den ersten Auftritt geübt: Am 28. November wird das End-of-year-Konzert von geniusHive stattfinden. Die Planungen dafür sind in vollem Gange. Die Geigenschüler im Kinder Paradise üben zurzeit ein Stück, das sie zusammen vorspielen wollen. Und der Chor probt zwei vierstimmige Weihnachtslieder, meist unter der Leitung von Julius, manchmal auch von mir. Eines der beiden Lieder wird von einem Orchester begleitet werden. Mit einer stark vereinfachten Stimme sollen auch schon die Geigenanfänger vom Kinder Paradise mitspielen.

Am Freitagvormittag unterrichte ich fünfte, sechste und zweite Klasse, anschließend gehe ich in den Kindergarten. Natürlich ist mein Unterricht nicht in jeder Klasse gleich. So lernen die Kindergartenkinder noch nicht, Noten zu lesen, sondern singen Kinderlieder. „Peter und der Wolf“ lässt sich allerdings in allen Klassen durchnehmen; es kommt nur darauf an, wie. Im Kindergarten merken wir uns noch nicht die Namen von allen Instrumenten, sondern malen Peter und die Tiere, während wir der jeweils dazugehörigen Musik lauschen. Am Freitagnachmittag unterrichte ich wieder die Geigenschüler, bevor es für mich zurück nach Accra geht.

Eine Vision von geniusHive ist es, guten Instrumentalschülern im Kinder Paradise später einen Job als Instrumentallehrer zu geben. Das passt hervorragend zum Motto von Musiker ohne Grenzen: „Perspektiven schaffen. Mit Musik.“ Doch nicht jeder Schüler soll oder kann später zum Berufsmusiker werden. Egal, ob sie später als Musiker Geld verdienen oder nicht, werden sie – davon bin ich überzeugt – durch die Musik eine Bereicherung finden. Sie steigern ihre Disziplin und Konzentrationsfähigkeit, entdecken ihre Individualität, erfahren Gemeinschaft im gemeinsamen Musizieren und finden in der Musik vielleicht einen unerklärlichen, wunderbaren, ja paradiesischen Schatz.

Herzliche Grüße aus Ghana,

Johannes

Hallo aus Ghana!

Hallo und herzlich willkommen auf meinem Blog!

Nach gut zwei Monaten in Ghana möchte ich Euch gerne über meine Zeit und Tätigkeit hier berichten. Auf diesem Blog werde ich Euch über die Entwicklungen des Projekts von Musiker ohne Grenzen e.V. AK Ghana auf dem Laufenden halten.

Am 3. August bin ich in Accra, der Hauptstadt Ghanas, angekommen und wurde sehr herzlich von den Leuten der Musikschule „geniusHive“, sowie den „grenzenlosen Musikern“ vor Ort am Flughafen in Empfang genommen.

In der ersten Woche nach meiner Ankunft wurde ich von Markus und Julius mit Schulen und Personen bekannt gemacht, mit denen wir zusammenarbeiten. Markus ist ein deutscher Dirigent, der Musiker ohne Grenzen e.V. AK Ghana initiiert hat und der Leiter des Projekts ist. Julius ist der Leiter der Musikschule geniusHive, in der ich wohne. Ich machte in der ersten Woche viele Bekanntschaften mit netten Ghanaern sowie deutschen Freiwilligen und lernte die Wege zu den Schulen kennen. Im Laufe meiner ersten und zweiten Woche reisten Markus und die Freiwilligen ab, allerdings nicht alle zusammen, weshalb ich schon vier Mal am Flughafen war.

Julius und Markus, meine zwei LeiterJulius und Markus, meine zwei Leiter Meni gye Ghana ho! – I like Ghana!

Im August waren Schulferien; daher habe ich erst im September in Nungua und Nima angefangen, zu unterrichten. Im Straßenkinderheim in Prampram konnte ich dagegen schon im August den Kindern ihre ersten Geigenstunden geben, sowie Musiktheorie unterrichten.

Matthew (der Geiger von geniusHive) und ich machten einen Ausflug nach Elmina, einer geschichtsträchtigen Fischerstadt. Wir besichtigten das Elmina Castle, eine 1482 von den Portugiesen erbaute Burg. Sie ist die erste europäische Festung südlich der Sahara und war lange Zeit der Hauptstützpunkt der Portugiesen und später der Niederländer in Westafrika. Wir betraten die Gefängnisse, in denen Sklavinnen und Sklaven unter abartigsten Bedingungen gefangen gehalten wurden, bevor die, die überlebten, verschifft wurden.

Nach dieser sehr informativen, aber auch bedrückenden Erfahrung machten wir eine Hängebrückentour im Regenwald „Kakum-Nationalpark“. Wir hatten einen tollen Ausblick auf den Wald und sahen riesige Bäume.

Mehr Bilder aus Elmina gibt es hier.

Mittlerweile habe ich mich schon gut eingelebt. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier gut angekommen bin und gut aufgenommen wurde. Inzwischen bin ich sehr mit Unterrichten beschäftigt: Montags in Nungua, dienstags, mittwochs und samstags in Nima und donnerstags, freitags und sonntags in Prampram. Über meine Arbeit erfahrt ihr in den nächsten Blogeinträgen mehr.

Falls Ihr jetzt noch nicht genug gelesen habt, schaut Euch doch die Seiten Verein und Projekt, Partner und Über mich an! Und in der Galerie wartet ein Album mit Fotos vom Chale Wote Street Art Festival in Accra auf Euch.

Viele Grüße & bis bald,

Johannes