Flotte Rhythmen, die einem Feuer durch den Körper jagen. Satte Bläsersounds, die einen mitnicken, -wippen und -schnippen lassen. Dicker Groove, der einen nicht still sitzen lässt. All das gabs bei meinem ersten Salsa-Konzert „Los ases de la salsa“ (Die Asse der Salsa) auf die Ohren. Und immer wieder dachte ich mir: „Sowas erlebst du in Europa einfach beim besten Willen nicht.“
Mit dem Konzert verbunden war leider auch ein Streit mit unserem Koordinator Marcos, der schon am Montag in der Freiwilligen-reunión anfragte, ob wir für das Konzert in Ciudad Victoria, eine Planstadt im Nordosten der City, wo Clave de Sur jetzt eine „Filiale“ eröffnen will, etwas vorbereiten könnten. Wir verneinten, da wir zu eben jenem Salsa-Konzert wollten. Soweit, so schön. Was dann allerdings gar nicht klar ging, dass Marcos am Freitagabend in der großen reunión den Überraschten spielte und uns, als wir darauf beharrten, dass wir ihm schon zeitig abgesagt hätten, auch noch blöd damit kam, dass wir als Freiwillige auch gewisse Verpflichtungen haben. Was ein Quatsch, das ist ja ein Widerspruch, der noch nicht mal mit sich selbst im Einklang steht.
Schlussendlich hat Marcos uns dann gütiger Weise doch gehen lassen, scheinbar hatte das Contra, was wir gaben doch seine erhoffte Wirkung erzielt. Insgesamt nervt diese Art und Weise, mit uns umzugehen schon sehr. Wir werden teilweise behandelt, als wären wir Arbeiter oder Knechte. An ein Quäntchen mehr Dankbarkeit könnte man sich gewöhnen.
Schließlich machten wir uns am Samstagnachmittag zeitig auf, um ja auch Plätze zu kriegen. Mit von der Partie waren Badman, Lasse, Hannes, Joza, ein alter Hase bei Musiker ohne Grenzen, auch Teil des Vorstands, die zur Zeit eine Evaluation in einigen Projekten durchführt, und meine Person. Bei strömendem Regen kamen wir am Coliseo, einer Sportarena an. Von außen sah man schon die riesigen Plakate, die das Konzert der vier Salsagrößen Luis Enrique (Kreuz), Jerry Rivera (Pik), Nino Segarra (Herz) und (Karo) ankündigte.
Als wir den Sicherheitscheck passiert hatten, war mir, als klatschte die Meute im Inneren schon. Dort angekommen stellte sich heraus, dass davon nicht die Rede sein konnte und dass das nur der Regen war, der auf das Dach trommelte. Wir waren ziemlich früh dran und das Konzert begann natürlich nicht um 20 Uhr, zu dieser Uhrzeit stolperte der erste Jogginghosenträger, den wir als Roadie verkannten, sich aber als Musiker entpuppte auf die Bühne. Also blieb noch Zeit, ein Gruppenfoto zu schießen.

Die rausgeputzten Salseros mit feuchten Haaren & Klamotten (v.l.n.r.): Badman, meine Wenigkeit, Joza, Hannes, Lasse
Viele Sicherheitskräfte waren vor Ort und Snacks wurden wie überall angepriesen. Noch war es relativ leer, doch der Saal füllte sich langsam und die schon aufgebaute Bühne, besonders die Percussion-Abteilung ließ hoffen.
Endlich ging es los. Es startete der Kreuzbube Luis Enrique. Die Lightshow war auch sehr beeindruckend und auf den Rängen konnten viele nicht mehr still sitzen, tanzten ab und sangen mit. Tatsächlich gab es einige Fans, die jedes Wort mitsingen konnten.
Gegen Ende wurde mit dem Hit „Yo no sé mañana“ ordentlich für Stimmung gesorgt.
Nach guten anderthalb Stunden des ersten Sängers wurde uns klar, welches Ausmaß dieses Konzert annahm: Eindeutig Orgien-Status. Wir konnten uns kaum vorstellen, dass für jeden Sänger die Band wechselte. Doch tatsächlich packten die Jungs nach dem Konzert seelenruhig ihre Siebensachen ein, sodass die Pause und das gesamte Konzert noch länger wurde.
Als zweiter kam der Karobube Rey Ruiz (mit der Reihenfolge der Farben in einem Kartenspiel hatten’s die Veranstalter wohl nicht so…), ein kubanischer Sänger, der auch „El Bombón de la salsa“ (Das Bonbon der Salsa) genannt wird. Besonders seine Band hatte einen tollen Sound und war für mich musikalisches Hihlight des Abends. Hier ein Song von ihm:
Nach einer weiteren Umbaupause – so langsam ging es auf ein Uhr zu – folgte Pikbube Jerry Rivera, der offen gesagt eher lahm war. Sehr schnulzig und nicht wirklich mireißend. Irgendwie packte mich die Musik nicht mehr und ich wurde müde. Lasse ging es genauso und so beschlossen wir, uns den Herzbube zu sparen und schon nach Hause zu fahren. Natürlich beteuerten die anderen, dass der letzte Sänger der allerbeste gewesen sei, das konnten wir (leider) nicht mehr beurteilen. Noch auf der Nachhausefahrt im Taxi planten Lasse und ich für den nächsten freien Sonntag einen Ausflug in den parque historico, einen Tierpark mit Museen.
Der Park liegt in Sanborondon, das Reichenviertel in Guayaquil, über das sogar meine Verwandten mit Ehrfurcht sprechen. Viele SUVs, protzig gestaltete Eingangstore zu ciudadelas (gated communities), Shopping-Malls und erstaunlich viele Geldautomaten prägten das Straßenbild, in dem der parque historico gelegen war.
Die Tiere in dem ordentlich angelegten Park ließen den Urwaldtrip revuepassieren – war schon toll, wie viele Tiere wir dort in freier Wildbahn erlebt hatten. Denn das ist natürlich schon etwas anderes als die Viecher so auf dem Präsentierteller serviert zu bekommen. Hier einige Eindrücke aus dem Park:
Am Ende des Parks fanden wir ein schönes Kolonialhaus vor, das im Inneren auch einige alte Möbel ausstellte. Dort fragte uns eine Mutter, ob wir ein Foto mit ihren Töchtern machen könnten, die uns schon eine ganze Weile verfolgt hatten und sich augenscheinlich nicht trauten, uns zu nach einem Bild zu fragen. Arme Mutter. Will nicht wissen, in welchen Instagram-Stories ich jetzt auftauche. Und schon gar nicht, mit welchem Kommentar…
Paseando con gringos guapos…
Mit hübschen Gringos unterwegs
Nachdem wir uns noch eine maduro con queso (Süße Kochbanane mit Käse) und eine tortilla de choclo (Maiskolben-Puffer) mit einem frischen Marakuja-Saft gegönnt hatten, machten wir uns auf den Heimweg.
Die Keilerei mit Marcos ging so aus, dass er sich in der reunión am Montag von seiner Schokoladenseite zeigte und in aller Form um Entschuldigung bat. Ich vermute ja, dass ihm seine Freundin ins Gewissen geredet hat…