
Mit fliegenden Fahnen machten wir uns aus Quito auf, um noch rechtzeitig für den Heiligen Abend und Sylvester zurück in den Gastfamilien zu sein. Dort erwartete uns erst ein ungewohnt ruhiges und dann ein ungewohnt wildes Fest. Bis die Wolken wieder lila waren.
Während ich per Skype einen Eindruck in das heimische Weihnachten bekommen habe, das ausfiel wie es eh und je war, mit Baum, Karnickel, Plätzchen, Geschenken, alle zurecht gemacht, alles dekoriert, die ganze family vereint, ging es hier vergleichsweise ruhig zu. So spülte die Weihnachtslieder-Live-Schalte sogar einen ordentlichen Schwung Wehmut und ein wenig Heimweh an. Ich in meinem langweiligen Zimmer auf meinem Bettchen vermisste die Familie, die Bräuche.
Die einzig außerplanmäßige Aktivität war der Wohnungsputz am Vormittag. (al ecuatoriano: Ein Eimer Wasser im Wohnzimmer ausgießen und mit Besen alles aus der Tür auf die Straße kehren…) Am Abend gab es ein aufwändigeres Abendessen mit der gesamten Familie, Huhn mit Kartoffeln. Anschließend habe ich mein Geschenk überreicht, ein Bild von uns allen. Das hatte ich am letzten Tag in Quito noch in einen 3-$-Bilderrahmen gesteckt…
Anschließend verkündete Jose, ganz in seiner Rolle als Ersatzvater aufgehend, dass wir uns nun noch ein wenig zur Ruhe setzen würden und anschließend zur Familie seine Freundin Blanca gehen würden, para chupar (um zu saufen; wörtl.: saugen)
Dort verbrachten wir unter einem Wellblechdach, auf das starker Regen prasselte, einige gesellige Stunden mit dem guten alten Pilsener. Ein Sohn hatte eine brandneue elektro-akustische Gitarre geschenkt bekommen und diese wurde direkt eingeweiht. Das Stimmen stellte sich schwieriger als gedacht heraus, da die neuen Saiten immer wieder abrutschten. Jose gab einige Songs zum besten und auch ich konnte meine mir im letzten proceso (Arbeitsphase) angeeigneten Gitarrenkünste präsentieren.
Über die Feiertage verreiste ich trotz großer Gewissensbisse gegenüber meiner Familie und den Freunden aus dem Guasmo noch zwei Male. Natürlich will ich meine Lieben nicht vergraulen, aber irgendwie reizt mich der Guasmo ohne Musikschulalltag wenig und da schlägt dann oft die Reiselust zu.
So kam es, dass ich mit Badman für drei Tage nach Olón fuhr. Dort trafen wir Lennart, bei dem wir spontanst (Wir waren nicht wirklich angekündigt…) übernachten durften und Hans, dessen Eltern aus Deutschland ihn gerade besuchten und für eine Galapagos-Reise aufgabelten. Wir surften viel und hatten eine gute Zeit.
Wir fuhren zurück, um rechtzeitig zum Weihnachtsessen von Clave de Sur zu kommen. Unser Koordinator Marcos hat früher als Koch gearbeitet und hatte etwas für die ganze Bagage gekocht – bemerkenswert! Außerdem wurden reconocimientos (Anerkennungen) in Form von Urkunden verteilt und mir wurde auch eine für meinen Verdienst und Einsatz als Lehrer überreicht. Nun bin ich also zertifizierter Instrumentallehrer. Oh weia, wo soll das bloß enden?!
Im Laufe des nächsten Tages bekam ich Migräne, sodass ich für die Feier von Mi Cometa in einer Bar im Zentrum absagen musste. Stattdessen zog ich mir Help! mit den Beatles rein. Auskuriert war ich am nächsten Morgen recht früh wach und sah, unter anderem, weil alle Freunde bei der Mi-Cometa-Fete gewesen waren und es dort Freibier gegeben hatte, einen schrecklich drögen Tag vor mir. Also machte ich mich Hals über Kopf auf nach Playas.
Dort nahm mich Tobias sehr nett auf und zeigte mir alles Wichtige in Playas (Musikschule, Strand, Hauptplatz, sein Haus). Abends trafen wir uns noch mit den anderen vier voluntarios (Freiwillige), die allesamt weiblich waren – lucky punch, Tobi!
Wir machten Pfannkuchen, jammten ab und hatten abermals eine gute Zeit. Am nächsten Tag machten wir Pan de Yuca, kleine Brötchen aus Yuca-Stärke gemacht. (Yuca ist eine Wurzel, die ähnlich wie Kartoffel schmeckt und hier viel verwendet wird.) Zeitig holte mich mein schlechtes Gewissen ein und ich machte mich auf den Heimweg, Neujahr wollte ich wenigstens im good old G verbringen.
Dies war auch eine ausgezeichnete Idee, denn Sylvester im Guasmo ist unico (einzigartig), wie sich mein Gastbruder Jose ausdrückte. Diese Anzahl an Feuerwerkskörpern habe ich wirklich noch nie erlebt. John hatte mich im Voraus gewarnt: „Año nuevo parece guerra“ (Neujahr sieht aus wie ein Krieg) – da hatte er recht, es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Überall knallte es, farbenfrohe Freudenfeuer explodierten, wildfremde Menschen fielen sich um die Hälse.
Hinzu kam die Verbrennung der muñecos, Pappfiguren, die bevorzugt Helden aus Blockbustern nachbilden, oft sehr kunstfertig gemacht. Die Fertigung der Minions, Hulgs und Pink Panthers ist Job der ganzen Familie und wird schon Tage vor Sylvester auf offener Straße vor dem Haus begonnen. Wir hatten einen gekauften (buuh!) Angry Bird.
Kurz nach zwölf wurde dann der Truthahn mit Kartoffeln verspeist – sehr lecker – und dann zogen wir von Party zu Party und tanzten in den Morgen. Bis die Wolken wieder lila wurden…
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