Unterwegs in der upper class

Ein Grinsen erobert unaufhaltsam mein Gesicht. Es geht mir gut. Ich stehe an einer Klippe mit atemberaubenden Blick auf die Pazifikküste. Der Wind bläst mir durch die Haare und ich habe gerade fürstlich in einem edlen Lokal mit Ehepaar Campoverde und Freunden gespiesen. Dieses Wochenende war mal wieder Gönnung angesagt. Spontan hart gegönnt.

Am Samstag machten sich Badman und ich auf zur berühmt-berüchtigten cabaña (Ferienhaus) der Familie Campoverde. Dieses liegt wunderschön gelegen in Punta Carnero, nahe des Drei-Städte-Ecks Salinas, Libertad und Santa Elena am äußeren Zipfel der Halbinsel Santa Elena (s. Karte).

An diesem Zipfel, dem meist westlich gelegenen Punkt Ecuadors biegt der kalte Humboldt-Strom vom Südpol kommend Richtung Galapagos-Inseln ab, wie uns Werner erklärte. Außerdem ist die Südküste dieses Zipfels den wilden Pazifikbrechern ausgesetzt, während die Nordküste geschützt ist und sich uns spiegelglatt präsentierte.

Das Haus war – wie zu erwarten – luxuriös. Mit Blick auf den wilden Pazifik reiht sich das Anwesen in eine Reihe teuer anmutender Appartements, hier scheinen die Guayaquileños, die sich’s leisten können, ihr Ferienhaus zu haben. Am Eingangstor, das auf ein Hupen von Werner von einem der Mitglieder der dreiköpfigen einheimischen Familie geöffnet wird, baumelt ein Schild mit der Aufschrift: Los Campoverde.

Das großzügige Haupthaus lockt mit Hängematten auf der Veranda, von der man einen herrlichen Blick über den grünen Rasen auf den Pazifik hat.

Ein anderes Haus hat Werner für seine Söhne eingerichtet, für den Fall, dass diese mal den*die ein oder andere*n Freund*in mitbringen wollen. Dort durften wir uns auf zwei Etagen breit machen und sogar von den Kaltgetränken im nebst Küche zur Verfügung stehendem Kühlschrank Gebrauch machen.

Alsbald machten wir Bekanntschaft mit den Nachbarn von Ehepaar Campoverde, der französische Geschäftsführer vom Wasserversorger interagua in Guayaquil und seine spanische Gattin, deren spanischer Akzent für uns Spanisch-Lerner sehr interessant war.

Nach einem großen Hallo mit Willkommens-Snack schlug uns Werner vor, zur Chocolatera (Schokoladenkanne) zu fahren, dem allerletzten Zipfel der Halbinsel Santa Elena, wo die Strömungen und Winde das Meer wie in einer Schokoladenkanne aufmischt und umrührt. Dieser Ort bot tolle Fotomotive, die wir zur Genüge ausschöpften, außerdem besuchten wir ein kleineres Museum, in dem dieses lustige Bild entstand:

V.l.n.r.: Carmita, meine Person, Werner, Badman

Wie in der Schokoladenkanne…

Von der Chocolatera aus ging es zum Mittagessen in ein Restaurant. Wir wären nicht mit Familie Campoverde unterwegs gewesen, wenn wir nicht auch direkt im edlen Yacht-Club von Salinas hervorragend gegessen hätten. Mit Blick auf den Yachthafen ließen wir uns die feinsten, frischsten und fielfältigsten Meeresfrüchte der Küste von weiß gekleideten Kellnern bringen und unterhielten uns, von feinem Jazzgedudel untermalt über europäische Politik. Des Öfteren wechselte ich mit Badman ungläubige Blicke, die so viel sagten wie: „Womit haben wir das verdient?!“

Mit von Nachtisch gefüllten Bäuchen (ich hatte das Gefühl, einen Handball im Bauch herumzutragen) flanierten wir in der Abendsonne noch etwas auf dem Steg herum und beäugten die oberen Zehntausend Ecuadors beim eifrigen Hantieren auf den Booten. 

Übrigens: Werner ist dort durch seine Angelei bekannt wie ein bunter Hund.

Auf dem Rückweg vom Yacht-Club keimte in mir die Idee eines idyllischen Lagerfeuers am Pazifikstrand auf. Auch das war kein Problem; Werner stattete uns sogleich mit Bambusholz aus dem Kamin, Zeitung und einer Brennflüssigkeit aus und wir machten uns auf zum rauschenden Pazifik. Der Wind machte uns ganz schön zu schaffen und so entschlossen wir nach einigem vergeblichen Zündeln, einen Strandspaziergang zu machen. Der Vollmond lugte ab und zu durch die Wolkendecke und tauchte den Strand in sonderbares Licht. Wir liefen nah am Wasser und spürten den nassen Sand zwischen den Zehen.

Zurück im Ferienhaus bot sich uns ein prächtiger Anblick: Werner saß zeitunglesend am Tisch und paffte eine fette Cohiba. Ein Bild für die Götter.


Am nächsten Morgen schämte ich mich schon fast, ohne frische Kleidung vor einem festlichen Frühstückstisch zu sitzen, der sich vor Leckereien nur so bog: Es gab bolónes, Bällchen, oder eher Bälle aus Kochbanane und Käse, Mango und Papaya, Brötchen, Butter, Marmelade, Saft, Kaffee – kurz: Alles, was das Herz begehrt.

Dann mussten wir verkünden, dass wir gegen zwei Uhr aufbrechen müssten, um den Bus Richtung Guayaquil zu nehmen, da noch eine Bandprobe drohte. „Was, zwei Uhr? Das passt ja super, dann gehen wir noch zu Mittag Essen und dann bringen wir euch nach Hause!“ – Wir waren sprachlos vor Dankbarkeit und Glück. Voll perplex.

Zuvor nutzten wir die Zeit noch, um zum Strand zu gehen! In vollen Zügen genossen wir Sonne, Meer, Sand und Bier. Royal Dutch machte sich auch um 11 Uhr morgens nicht schlecht, wobei die Mischung mit Zahnpastageschmack nicht gerade empfehlenswert ist.

Carmita hatte uns schon vorgewarnt, die Strömung sei sehr stark, man solle also besser nicht weiter als bis zur Hüfte ins Wasser, allerdings hatte ich mit einer solchen Kraft der Wassermassen nicht gerechnet. Schon kleinere Wellen rissen uns einfach von den Füßen und der Sog, wenn die Wellen zurückzogen, war unbeschreiblich.

Danach wurde alles eingepackt, die Haushälter wuselten durch die Gegend, die zwei gerahmten Che-Guevara-Bilder, die uns Carmita aufgrund von Einrichtungswechsel kurzerhand geschenkt hatte, wurden eingepackt und schon ging’s los zum nächsten Feinschmeckerlokal. Auf dem Weg dorthin machten wir noch kurz an einem Fischerhafen halt – Tür auf, iPhone raus, Foto, lächeln!, Klick!Tür wieder zu und weiter ging’s. Das Lokal, an einer Klippe gelegen, bestach durch gutes Essen und die tolle Lage.

Bei Tisch erreichten uns per WhatsApp Grüße von Benji vom Weihnachtsmarkt auf dem Alex in Berlin, der dort geschäftlich zu tun hatte.

Auf dem Nachhauseweg bekamen wir noch Mangos und Papayas, sowie Fisch von Ehepaar Campoverde geschenkt. Im Guasmo angekommen, Werner machte große Augen, wie wir hier leben, stellte sich heraus, dass die Bandprobe ohnehin abgesagt wurde, was unser Glück war, denn wir waren ganz schön spät dran. Also machten wir uns schwer bepackt mit unseren Geschenken – man denke an die Bilderrahmen! – auf nach Hause.

Manchmal weiß ich nicht so recht, mit wem ich mich identifizieren soll, zu wem ich gehöre. Zu den Campoverdes, zur Oberschicht, meinen Verwandten, denen ich natürlich unendlich dankbar für dieses entspannende Wochenende bin, oder doch zu meinem Umfeld im Guasmo, zu meiner Gastfamilie zur Unterschicht. Ich habe das Gefühl, beide Gruppen scheinen nicht besonders gut übereinander zu denken. Eventuell werden beide Welten beim Weihnachtskonzert von Clave de Sur, zu denen ich die Campoverdes eingeladen habe, aufeinanderprallen. Wo soll ich mich also dazuzählen? Mir gefällt meine Rolle als fremder Beobachter, außenstehender Reisender ganz gut.


Nicht unerwähnt soll hier auch mein 19. Geburtstag am Folgetag bleiben. An diesem wurde ich durch ein extra leckeres Geburtstagsessen beglückt: Encocado de pescado. Das ist Fisch, in diesem Fall der von Campoverdes, in leckerer Kokos-Soße mit – na, was wohl? – Reis. Das hatte ich in dem Buch „KulturSchock Ecuador“ – süperbeste Empfehlung vom Autor himself!, das mir meine Tante Mechthild vor etwa einem Jahr zum 18. geschenkt hatte, gelesen mir gewünscht.

Die andere Überraschung kündigte sich mir durch Alan, ein Ecci von Clave de Sur, an, der in meinen letzten Unterricht kam und meinte, ob ich nicht Schluss mit dem Unterricht machen könne, Jorge wolle abschließen und er hätte noch eine Frage mit der Trompete, ob ich kommen könnte. Also würgte ich die Stunde, die ich mit ADELEsSomeone like you“ bestritt, schnell ab und folgte ins Büro. Dort erwartete mich die gesamte Musikschul-Crew und sang mir ein Ständchen. Es gab sogar eine Torte und wie das hier üblich ist, sollte ich die ohne Besteck probieren. Was ich schon wusste, dass sich anschließend alle Umstehenden einen Spaß daraus machen würden, den cumplañero (Geburtstagskind) in die Torte zu drücken. Eigentlich ein witziges Gefühl! Eine Erfahrung.

Tortenmonster Cons

Die andere Neuigkeit war ein erster Regenfall gegen Abend. So langsam scheint sich die heiße und feuchte Jahreszeit, die angeblich nur Dezember, Januar und Februar dauern soll, anzukündigen. Wetterwende im Guasmo!

Autor: Cons

Cons ist ein neunzehnjähriger Weltenbummler mit musikalischen Neigungen. Diese beiden Aspekte sieht er bei dem Verein Musiker ohne Grenzen (MoG) vereint und deshalb macht er jetzt für ein halbes Jahr einen musikalischen Freiwilligendienst in Ecuador, genauer Guayaquil. Er gibt dort in einem ärmlichen Viertel, Guasmo Sur, in der Musikschule Clave de Sur Unterricht für Klavier, Horn bzw. Trompete (da muss er sich an die Nachfrage anpassen) und Gesang.

4 Kommentare

  1. Pingback: Zu Besuch in Guayami | Cons entdeckt Ecuador

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