Die Zeit verfliegt

Yow ihr alle,

der September hat begonnen und es wird mal wieder allerhöchste Zeit euch zu berichten was ich hier in Jamaika erlebe. In der letzten Zeit ist so viel passiert, dass ich gar nicht so richtig weiß wo ich anfangen soll. Aber ich starte einfach mal chronologisch (und versuche mich kurz zu halten 🙂 )

Im letzten Bericht habe ich euch von den Konzerten erzählt, bei denen wir mit unserer Band spielen sollten. Das erste fand am 30. Juni im Red Bones statt, das ist ein total schönes Restaurant in Uptown, in dem es fast jeden Abend tolle und hochkarätige Live Musik gibt. Deshalb waren wir natürlich alle etwas aufgeregt am Tag des Konzertes, vor allem ich weil wir ja an alles denken mussten: Sind alle Noten da, haben wir das Stimmgerät eingepackt, wie viele Notenständer brauchen wir nochmal? Da war es natürlich nicht hilfreich, dass um 18 Uhr (die Uhrzeit zu der wir eigentlich schon im Taxi sitzen wollten) das Essen immer noch nicht fertig war, unsere Bandmitglieder noch nicht umgezogen waren, aber trotzdem ganz gechillt auf dem Sofa saßen. Ich bin jetzt zwar schon seit mehr als vier Monaten hier, aber daran hab ich mich echt noch nicht ganz gewöhnt. Wenn es nichts Wichtiges ist, dann kann ich ja auch ganz ruhig an die Sache rangehen, aber wenn es um so etwas wie ein Konzert geht, dann bin ich doch schnell mal gestresst. Das Konzert sollte um 20 Uhr losgehen und um 19.30 Uhr hatten wir finally alle Mitwirkenden und Freunde die zuschauen wollten in zwei Taxis verfrachtet und düsten los Richtung Uptown. Im Red Bones angekommen konnte ich mich erst mal entspannen, denn Living Kultcha, die Band die nach uns spielen sollte, war noch mit Aufbauen und Soundcheck beschäftigt. So läuft das halt hier in Jamaika: Alles ohne Stress und letzten Endes klappt dann auch alles. Das ist echt bewundernswert und manchmal frage ich mich, wieso sich die Leute in Deutschland so viel Druck machen, wenn es doch offensichtlich auch ohne geht 😀 Unser Konzert war ein voller Erfolg, auch wenn man natürlich gemerkt hat, dass wir nur 10 Tage hatten um zu proben. Ich würde euch natürlich sehr gerne ein Video zeigen, aber leider ist die Datei zu groß um sie hier hochzuladen.

Danach haben wir noch alle auf einen Drink eingeladen und die coole Musik von Living Kultcha genossen. Es war ein wunderschöner Abend und es war toll zu sehen, wie glücklich unsere Schüler waren und wie sehr sie es genossen haben. Michael, mein ältester Saxophon Schüler (52) kam zu mir und hat sich bedankt, dass wir ihm diese Erfahrung ermöglicht haben. Das hat mich total gerührt.

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Am Freitag war unser zweites Konzert im Culture Yard. Auch das hat gut geklappt und wir haben lauten Applaus bekommen. Doch noch hatten wir keine Zeit zum Ausruhen, denn am nächsten Tag stand unser Beach Trip zum Hellshire Beach mit allen Schülern bevor. Um 5:30 Uhr hat der Wecker geklingelt und wir haben uns fleißig daran gemacht, Thunfisch und Gemüse Sandwiches vorzubereiten. Eine Stunde später waren etwa 60 Sandwiches fertig in einer großen Box verstaut. Um 7:30 Uhr trudelten die ersten Schüler ein. Heute waren sie ausnahmsweise mal über über pünktlich, weil natürlich niemand den Beach Trip verpassen wollte. Mit insgesamt 32 Leuten ging es dann mit Taxis nach Downtown und von dort mit dem Bus zum Hellshire Beach. Zum Glück hat alles gut geklappt und niemand ist verloren gegangen, was in dem Getümmel von Downtown gar nicht so abwegig ist… Für Vera und mich war es kein wirklich entspannter Strandausflug weil wir die einzigen waren, die wirklich gut schwimmen können und wir auf 25 Kinder im Wasser aufpassen mussten. Die hatten jedoch super viel Spaß und der Großteil von ihnen ist ganze vier Stunden nicht aus dem Wasser gekommen. Die Kinder aus Trenchtown kommen, eigentlich so gut wie nie an den Strand, weil den Eltern einfach das Geld fehlt.

Als wir am Abend zurück kamen, sind wir alle halb tot ins Bett gefallen: Das waren wirklich wunderbare, aber auch sehr anstrengende Tage!

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Warten auf den Bus in Downtown

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Ein chaotisches Gruppenbild

Am dritten Juli war Suarez Geburtstag. Vera und ich sind mittags nach Crossroads gefahren um ein paar Geschenke zu besorgen und haben dann später alles vorbereitet. Ich glaube er hat sich wirklich sehr gefreut 😀 Am Abend sind wir dann mit Kristy einer Freundin aus Amerika zum Dub Club gegangen. Der Dub Club ist in den Bergen und eigentlich kein richtiger „Club“, eher ein Hangout Place. Von hier hat man einen wunder wunderschönen Blick auf ganz Kingston. Leider hatte ich meine Kamera vergessen, aber auf einem Bild kann man diesen Ausblick sowieso nicht festhalten.

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Das nächste große Event ließ nicht lange auf sich warten: das Jamaica Music Camp, eine 10 tägige Musik Freizeit, bei der ich als Camp Counselor dabei war. Eine meiner Klavierschülerinnen,die 12-jährige Kaylia hat ein Stipendium bekommen und durfte auch mitfahren. Mein erster Eindruck, als wir in MoBay ankamen ist schwer zu beschreiben. Ich habe mich gefühlt wie im falschen Film. Austragungsort war der Tryall Golf Club in Montego Bay. Über ein riesiges Grundstück direkt am Meer sind hunderte Villen verteilt. Dieser krasse Reichtum im Gegensatz zu der Armut und der Gewalt in Trenchtown hat mich erst mal umgehauen. Alles wirkte so unreal. Die ersten Stunden musste ich wirklich immer wieder ungläubig auflachen, weil die Situation so surreal war. Als Camp Counselor habe ich mich um die Freizeit Aktivitäten gekümmert und auf die Kids aufgepasst. Ich war hauptsächlich für die kleineren Camper zuständig mit denen ich in einer „eigenen“ kleinen Villa gewohnt habe. Am ersten Abend, nachdem ich die Kids ins Bett gebracht habe, saß ich in „meinem“ riesigen Wohnzimmer und konnte es nicht glauben. Ich habe erstmal allen meinem Freunden ungläubige Sprachnachrichten geschickt 😀 Die größeren Camper haben in der wunderschönen Villa Stella gewohnt. Wenn es morgens Zeit fürs Frühstück war, habe ich meine Kids ins hauseigene Golfkart gepackt und sie zur Villa Stella chauffiert. Das Camp wird von Leora O`Caroll, einer Musikerin aus Miami geleitet. Ich kam auch nach ein paar Tagen noch nicht auf die Unterschiede klar. Es gab Küchenpersonal, die drei Mal am Tag feinstes essen für uns gekocht haben, und zwischendrin gab es immer noch Snacks und Limonade. Da wir in Trenchtown immer nur zweimal am Tag essen hatte ich das Gefühl ich bin durchgehend am essen! Doch nicht nur mir fiel es schwer plötzlich in diesem Reichtum und dieser Fülle zurecht zu kommen. Viel schwerer hatte es Kaylia, meine Schülerin. Sie hatte eine wichtige Rolle in einem der Songs, war aber während den Proben oft abwesend und unmotiviert. Ich habe sie dann zur Seite genommen und mit ihr gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass sie Probleme zu Hause hat. Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihren zwei älteren Brüdern in einem Raum. Eigentlich möchte sie zu ihrem Vater ziehen, aber das geht nicht. Ich habe sie gefragt, ob sie es denn gar nicht genießen kann hier beim Camp und darauf hat sie geantwortet „Ich versuche es ja wirklich, aber ich habe immer im Kopf, dass ich ja in zehn Tagen wieder zurück muss!“  Am Ende der zehn Tage stand ein Konzert, bei dem viele der Sponsoren kamen; es war ein voller Erfolg! Einige der Camper sind unglaublich talentiert und es hat total viel Spaß gemacht mit allen zu musizieren, im Pool zu plantschen und abzuhängen. Hier könnt ihr eines der Stücke anhören, das wir aufgeführt haben: https://www.youtube.com/watch?v=4i3UW6FMgwk

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Mein Wohnzimmer #reich #eigeneVilla #crazyWorld

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Der Pool meiner Villa am Abend 😀 😀

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Masterclass von Leora O`Carroll

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Burger um Mitternacht (Alexander,ein total süßer Junge, dessen Eltern sehr sehr reich sind, hatte abends noch Hunger bekommen, da haben ihm seine Eltern eben mal bei Wendys ein paar Burger gekauft und vorbeigebracht… Wir anderen Villa-Bewohner wurden natürlich auch versorgt 😀

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Mein Pool bei Tag

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Der Ausblick von meiner Villa 😀

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Villa Stella (dort haben die größeren Camper gewohnt)

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Tessanne Chin, eine Sängerin aus Jamaika, hat auch eine Masterclass gegeben! Die Kids waren total aufgeregt, weil Tessanne hier in Jamaika ein großer Star ist; sie hat 2013 bei TheVoice America gewonnen

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Horace, der Gärnter, hat jeden Tag einen anderen Namen aus Handtüchern gelegt 😀

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Mein Golfkart

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Nach zehn Tagen wieder nach Trenchtown zu kommen hat sich angefühlt wie nach Hause kommen. Auch wenn es beim Camp wunderschön war und ich viele tolle Leute kennengelernt habe, war es einfach schön meine Familie und Freunde wieder zu sehen und wieder ins real life zurückzukehren.

Zwei Tage nach meiner Rückkehr ist Vera nach Hause geflogen. Da wir uns so gut verstehen und echt ein tolles Team waren, war ich sehr traurig, als sie gegangen ist und am Flughafen sind auch ein paar Tränen geflossen. Mit Vera konnte ich einfach über alles reden, über alle schönen Dinge aber auch über die schrecklichen Dinge die hier passieren. Außerdem habe ich mir viele Gedanken gemacht wie es wohl wird wenn ich als einzige Freiwillige hier bin. Wenn mehrere Freiwillige da sind, wird man halt doch manchmal dazu verleitet, es sich einfach zu machen und deutsch zu reden oder oft zusammen rumzuhängen.

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Veras vorletzter Abend im Bowling Center

Veras Abschiedsparty:

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Miss U Vera <3

Doch all meine Sorgen waren unbegründet, denn ich hatte eine richtig tolle Zeit in den letzten Wochen und ich habe sehr viel gelernt. Ich bin nochmal viel tiefer in die Kultur eingetaucht und habe feste Freundschaft geschlossen. Es ist ein ganz anderes Gefühl hier alleine zu sein, aber es ist ein gutes.

Da die Sommerferien in Jamaika zwei Monate dauern, den ganzen Juli und August, musste ich mir für die Ferien was einfallen lassen. Eigentlich wollte ich weiter unterrichten, doch da viele meiner Schüler ins Country gegangen sind und dort ihre Familie besucht haben und viele der Kids nicht auffindbar waren, weil sie irgendwo auf der Straße gespielt haben, wurde ich aus meinem geregelten Alltag herausgerissen. Suarez und ich haben dann also eine Summerschool für alle übrig gebliebenen organisiert. Dabei wollten wir Spaß und Unterricht verbinden. Wir haben einige Ausflüge organisiert, Filme über Musik angeschaut oder Theorie Unterricht gemacht.

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Wie schon gesagt, die Zeit verfliegt und ehe ich mich versah stand ich schon am Flughafen in MoBay und habe auf meine liebe Mama gewartet. Ich konnte es gar nicht glauben, dass sie gleich aus dieser Tür rauskommen wird und auch als sie dann da war, hat es sich erstmal nicht real angefühlt. Aber ich habe mich unendlich gefreut sie zu sehen und ihr meine neue Welt hier zu zeigen. Und nach ein paar Stunden zusammen war alles wieder wie immer. Nach einer Nacht in MoBay sind wir mit dem Bus nach Kingston gefahren. Diesmal haben wir uns die luxuriöse Variante gegönnt und sind mit einem großen Knutsford Bus gefahren. Das ist das Busunternehmen, mit dem die reicheren Jamaikaner reisen. Hier hat man WLAN und Klimaanlage und generell fühlt man sich eigentlich wie in Deutschland… Nicht das Real Jamaica aber auch mal ganz angenehm, vor allem wollte ich meiner Mama am Anfang nicht allzu viel zumuten, das kam schon noch früh genug. In Trench Town angekommen, habe ich ihr natürlich erstmal die ganze Familie vorgestellt, mein Patenkind Kareem und meine Freunde. Genau wie für mich am Anfang, war es natürlich sehr viel auf einmal für sie und in den ersten Tagen hat ihr der Jetlag auch noch zu schaffen gemacht…

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Das beste Team der Welt wieder vereint <3

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Tollstes Mitbingsel von Mama: Landjäger vom Duty Free 😀

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Mensch ärgere dich nicht mit viel Bescheißen (Opa das wären super Schüler für dich 😀 )

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Mama hat eine Masterclass beim NYOJ (National Youth Orchestra of Jamaica) gegeben; ihr Fazit: die sind ja alle total nett, aber Posaune spielen kann leider keiner…

Eine ganze Woche hat meine Mama mit mir in Trenchtown verbracht und es war so schön all das hier mit ihr zu teilen. Alle haben sie sofort ins Herz geschlossen und sie Mummie genannt 😀 Ich glaube, dass es ihr gut gefallen hat, auch wenn sie meinte, dass sie nie gewusst hat, dass es wirklich so arm ist hier. Natürlich hat sie die Bilder gesehen und alles, aber wirklich hier zu sein ist natürlich nochmal was anderes. Eine Woche ging total schnell rum und dann wurde es auch schon Zeit wieder nach MoBay zu gehen, um ihren Freund Christian abzuholen. Unser Plan war zwei Tage in MoBay zu bleiben und dann noch zwei Tage nach Negril zu fahren. Wir haben einen meiner Schüler, Maleik, mitgenommen. Es war ein toller Ausflug und Christian zu sehen war sehr schön! Auch er kam in den Genuss Trenchtown zu erleben und auch wenn er sich erstmal an die Umstände und vor allem an die Kakerlaken gewöhnen musste 😀 , hat auch er sich schnell eingelebt und sich mit allen super verstanden. Mit Mama hatte ich ausgemacht, dass wir ein paar meiner Freunde und Familie für ein paar Tage an meinen Lieblingsort Port Antonio mitnehmen. Ich bin ihr und Christian so dankbar, dass sie das ermöglicht haben. Wir sind also mit einer großen Reisegruppe Richtung Portland aufgebrochen: Suarez, seine Schwester Kelly mit ihren drei Kindern Obama, Chu Chu und Kareem und Davia, eine gute Freundin von mir.

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Zur Erfrischung nach der Ankunft gab es erstmal ein kühles Red Stripe 😉

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Christian und Maleik beim Frühstück in Negril

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Seven Mile Beach in Negril

In Port Antonio haben wir fünf Tage zusammen verbracht. Fünf wundervolle Tage in denen man gemerkt hat, wie meine Freunde regelrecht aufgeblüht sind und ganz sorgenfrei waren. Das zu sehen war toll. An diesem, meinem Lieblingsort, hat Mama auch ihren 50. Geburtstag gefeiert (kaum zu glauben, ich weiß, so jung wie sie aussieht! das mein ich ernst Mama). Diesen besonderen Tag haben wir am Frenchmen`s Cove verbracht, dem schönsten Strand der Welt. Mama hat es sehr genossen und wir hatten einen wunderschönen Tag zusammen! Geteilte Freude ist doppelte Freude.

Die Reisegruppe wird vorgestellt:

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Chu Chu

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Obama

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Kareem aka BJ

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Davia

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Kelly

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Suarez

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Angelika

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Christian

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Und meine Wenigkeit 😀

Hier ein paar Impressionen unserer Zeit in Port Antonio:

 

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An Mama`s Geburtstag in Frenchman`s Cove

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Im Coaster nach Port Antonio: Ein Erlebnis der ganz besonderen Art

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Immer wenn man dachte, jetzt passt aber wirklich niemand mehr rein, hat der Bus wieder angehalten,um noch jemand reinzuquetschen

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Frenchmen`s Cove

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Meine beste Freundin Davia mit meiner anderen besten Freundin Angelika 🙂

 

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Boston Beach in Port Antonio

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Ein müder Krieger auf dem Arm des Geburtstagskindes

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Eine stolze Patentante 🙂

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Die Reisegruppe am Frühstückstisch

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Die Abschiedsgeschenke kamen super an!

Hier noch ein kleiner Bericht von Angelika, mal aus einem anderen Augen, bestimmt interessant ist für euch:

Ihr Lieben,

es ist 4 Uhr morgens und da ich durch den Jetlag keinen Schlaf finde kann, beginne ich nun zu schreiben. Wir sind nun seit einem Tag zu Hause. Schweren Herzens habe ich mich von Antonia verabschiedet, aber ich hatte sie ja jetzt ganze 4 Wochen. Antonia hat mich gebeten meine Eindrücke von Jamaika zu schildern und ich glaube das ist eine wirklich gute Idee. Sie ist nämlich mittlerweile völlig im „ Jamaika – Groove“ angekommen, vieles nimmt sie anders wahr und das ist auch gut so. Ich würde mal lapidar sagen, anders kann man das auch nicht aushalten.

Das gleiche Kind, welches früher vor einer Spinne schreiend davonlief, duscht heute mit einem (Flip-Flop bekleideten)Fuß auf dem Abfluss der Dusche stehend. Dies dient dazu die Kakerlaken und Tausendfüßler  abzuhalten, während des Duschens  aus dem Abfluss zu kriechen. Die Tausendfüßler, so genannte „fourty-legs“, sind übrigens hoch giftig….. Das Ganze findet im Dunkeln statt, da die Glühbirne schon lange einen Wackelkontakt hat. Manchmal erbarmt sich die Glühbirne für 10 Sekunden , wenn man die Geduld hat mit dem Wischmob lange genug dagegen zu schlagen. Kakerlaken findet Antonia erst ab einer Größe von 10 cm eklig, sogenannte „Jumbos“, die anderen werden kurzerhand mit dem bereits erwähnten Flip-Flop  tot geschlagen.Die Freiwilligen schlafen (bei voller Besetzung) zu dritt in einem winzigen Zimmer. In der Zeit als ich da war, hatte ich das Vergnügen den unteren Teil des Stockbetts zu bewohnen. Auf Dauer kann diese (sogenannte )Matratze wohl nur nur ein seeeehhhhrrr junger Rücken aushalten.Insgesamt habe ich 11 Tage im Slum verbracht, Christian immerhin 4 Tage.

Mein erster Eindruck, als mich Antonia am Flughafen abgeholt hat, war „wow mein Kind ist erwachsen geworden“. Sie verhandelt mit Taxifahrern, als wäre sie in Delhi auf dem Wochenmarkt. So billig wie wir, ist glaube ich noch nie jemand zum Hostel gefahren. Sie spricht fließend Englisch, sie versteht „ Patois“  (das Sprechen übt sie noch) und organisiert alles was auf einer Reise zu tun ist. 

Aber nun zu meinen Eindrücken  in Trenchtown.  Als ich mit Antonia und Suarez durch die Strassen und Gassen gelaufen bin, kamen immer wieder strahlende Kinder auf Antonia zu gerannt und warfen sich in ihre Arme. Immer wieder rief es, „Yow Toni wah gwaaaan“.

Suarez ist übrigens der Grund, dass ich tatsächlich überhaupt keine Angst um Antonia habe.Er begleitet sie, kennt die Guten und die Bösen in Trenchtown und hat immer ein wachsames Auge auf alles.  Lieber Suarez hier noch einmal ein dickes DANKE an dich , dass du so toll auf Antonia aufpasst! Kevin Kostner ist ein Dreck dagegen…… 

Antonia hat es in den wenigen Monaten geschafft die Kinder und Menschen hier für sich zu gewinnen. Die Kinder lieben sie und Antonia liebt die Kinder. Mit einer Engelsgeduld wird unterrichtet, manchmal getröstet und ganz selten auch geschimpft. Auf der Nase tanzt ihr keiner rum, sie ist der Chef und das akzeptieren alle. Sie hat Freunde, sie liebt die Menschen, sie bewegt sich völlig selbstverständlich in einem Umfeld, in das sich nicht einmal Einheimische trauen. Wenn man den Menschen erzählt, dass man nach Trenchtown geht oder gar dort wohnt, glauben sie es nicht.  Weiße Menschen in Trenchtown, das geht gar nicht. Warum das so ist, wurde mir dann auch bald klar. In der Zeit, in der ich und später auch Christian da waren, wurden insgesamt 6 Menschen erschossen. Es sind Taten, die wir niemals begreifen werden. Wenn eine Gang jemanden erschiesst, wird am nächsten Tag einer von der anderen Gang erschossen. In der letzten Woche in der wir dort waren, wurde ein Mann mit seinem 2 jährigen Baby auf dem Arm erschossen. Das Baby wurde mit einem Kopfschuss getötet.

Viele junge Menschen die Antonia kennt, waren schon Zeugen solcher Gewalttaten. Oft wird man bedroht und drangsaliert und verprügelt, weil man Mitglied ein dortigen Gang werden soll. Man ist wirklich machtlos und um so mehr wird einem bewusst, wie wertvoll die Arbeit der „ Musiker ohne Grenzen  “ ist.

Sicher, ein Tropfen auf den heißen Stein, aber steter Tropfen…….

Die Kinder haben eine Zuflucht, sie haben die Möglichkeit sich mit etwas Schönem zu beschäftigen, sie erarbeiten was als Gruppe, sie können auch mal stolz sein und manchmal bekommen sie dort auch einfach etwas zu essen. Auch das ist nicht selbstverständlich. Oft reicht das Geld nur für eine Mahlzeit am Tag. Auch das ein Satz der sich mir eingeprägt hat: “ Es muss zumindest keiner hungrig einschlafen“. Tagsüber aber ist der Hunger für viele Kinder ein ständiger Begleiter.

Und hier kommen wir zum Hauptproblem, kaum einer der im Slum lebenden Menschen hat Geld. Es gibt nicht zu arbeiten und Antonia erzählte mir, dass allein die Adresse Kingston 12 ausreicht, nirgendwo eine Anstellung zu bekommen. Allgemein ist es auf Jamaika so, dass die wenigsten Menschen ein geregeltes Einkommen haben. Auf dem Land haben die Menschen den Vorteil, dass sie wissen ,wo die Brotfrucht- und Mangobäume wachsen und somit zumindest genug zu essen haben. Die Vorstellung, Jamaika wäre eine karibische Trauminsel, kann man sich sehr schnell abschminken, vorausgesetzt man bewegt sich als Tourist aus seinem 5 Sterne Luxus- Resort raus. Was sicherlich nicht alle tun….. Um es wirklich zu begreifen, muss man es gesehen haben. Mütter leben mit ihren 3 Kindern in einem Raum, eigentlich ein Bretterverschlag mit Wellblechdach. Es gibt ein ca 1,40 breites Bett für alle und einen Ventilator, ohne den man hier wirklich kein Auge zudrücken kann. Wir haben das mit eigenen Augen gesehen. Es gibt keine Küche, es gibt keine Dusche, es gibt kein Klo im Haus. Gewaschen wird von Hand, aber man erlebt nicht, dass jemand ungepflegt herum läuft. Überhaupt sind die Jamaikaner tolle Menschen. Man erlebt niemanden schlecht gelaunt, motzig oder ungeduldig. Selbst im wirklich chaotischen Straßenverkehr, im völlig überfüllten Bus oder Taxi bei sengender Hitze, rückt man halt zusammen oder stapelt sich. Da könnte sich hier manch einer was abgucken. Allerdings drückt die ständig akute Gewalt und Sorge wohl schon aufs Gemüt.

Wirklich wahrgenommen haben wir das, als wir zu neunt für 5 Tage nach Port Antonio gefahren sind. Alle waren plötzlich wie verwandelt, der 7 jährige Obama sagte: „I will stay here forever“ Alle waren  viel gelöster und fröhlicher. Meinen 50. Geburtstag durfte ich dann mit einer wundervollen Gruppe feiern. Suarez, seine Schwester Kelly, ihre 3 Kinder Chu-Chu, Obama und Kareem ( Antonias Patenkind) und Davia Antonias beste Freundin hier und natürlich Christian. Wir hatten eine traumhaften Tag an dem schönsten Strand den ich je gesehen habe.

Insgesamt hat mich diese Reise ein weiteres Mal sehr nachdenklich gestimmt. Wir sind die Glücklichen, die am richtigen Ort geboren wurden. Wir haben ein funktionierendes Sozialsystem, Krankenkassen, Renten, Arbeitslosengeld, einen Job oder halt Hartz 4 . Für uns alles selbstverständlich, in vielen Teilen der Welt unvorstellbar. Unsere Kinder können auch ohne teure Schuluniform zur Schule gehen. Wir können Schulbücher leihen, wir müssen sie nicht für teures Geld kaufen. Für viele Slumbewohner ist es fast unmöglich das Geld für ihre Schulkinder aufzubringen. Was ein veraltetes, bescheuertes System!!!! 

Junge Leute die sich bei Organisationen wie „ Musiker ohne Grenzen“ oder den vielen anderen Freiwilligendiensten  engagieren, sind diejenigen die völlig selbstlos Licht und Hoffnung in Gegenden bringen, in denen es eigentlich wenig Hoffnung gibt. 

Und wenn es dann der ein oder andere schafft, durch diese Arbeit aus dem Elend  zu entkommen, dann hat sich das Engagement schon gelohnt.

Dank euch Allen, 

eine stolze Mama

Hier ein paar Fotos/Eindrücke

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Vor Laura`s Shop, wo ich Stammkunde bin

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„Serve“ ruft man hier in das kleine Fenster rein, wenn man etwas kaufen möchte

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Price Street in Jonestown, einem Teil von Trenchtown

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Bei der TV-Show Rising Star, für die wir Karten von Rosina, meiner österreichischen Freundin bekommen haben!

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Sind sie nicht süß?!?!

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Für mich fängt die richtige Arbeit jetzt dann wieder richtig an, da am Montag Schulanfang war und ich meinen Unterricht vorbereiten muss. Ich freue mich schon wieder auf den Schul-Alltag, denn das Unterrichten macht einfach total viel Spaß. Gut ist, dass nächste Woche drei neue Freiwillige ankommen, die mich unterstützen können.

Meine Reisepläne haben sich übrigens ein bisschen geändert. Ich komme nicht wie geplant am 14. September sondern am 28. zurück, da Joza, die Projektleiterin aus Baden-Baden am 15. September nach Jamaika kommt und ich ihr gerne noch die Leute vorstellen möchte, welche sie noch nicht kennt und natürlich auch noch ein bisschen Zeit mit ihr verbringen will, weil sie einfach mega cool ist und mir immer hilfsbereit zur Seite stand, wenn ich Hilfe gebraucht habe 🙂

Ich melde mich bald wieder bei euch, bevor ich nach Hause fliege!

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Das Hinterteil ist hier in Jamaika ein sehr wichtiges Körperteil, deshalb hab ich mal versucht ein bisschen nachzuhelfen 😀

Eure Antonia <3<3<3

 

Feels like home

Hallo ihr Lieben,

bitte entschuldigt, dass ich so lange nichts mehr von mir habe hören lassen. Ich habe mich wohl so langsam schon richtig in die Jamaican Vibes eingegroovt… 😀 Mir geht es sehr gut im Moment und in den letzten Wochen ist wieder sehr viel passiert. Ich muss wirklich wieder anfangen Tagebuch zu schreiben. Ganz am Anfang hatte ich mir fest vorgenommen jeden Tag etwas reinzuschreiben, weil man hier eigentlich jeden Tag etwas Neues erlebt. Aber wenn ich dann abends vom Unterrichten im Culture Yard nach Hause komme will ich mich meistens nur noch in die Hängematte legen und chillaxen.

Das ist das Tolle im Moment, denn zum Einen bin ich jetzt wirklich „angekommen“, habe einen geregelten Ablauf und fühle mich hier richtig zu Hause, doch zum anderen gibt es immer wieder so viele neue Sachen zu entdecken, neue Leute zum Kennenlernen und andere Facetten der Kultur zu erkunden.

Ich fange mal mit dem ersten Ereignis an, was nach meinem letzten Blogeintrag passiert ist. Übers Wochenende hatten wir beschlossen nach Ocho Rios zu fahren, das ist eine kleine Stadt im Norden im Parish Saint Ann. Die Fahrt dorthin war eine meiner schlimmsten Coaster Bus Fahrten seit ich hier bin 😀 Nachdem wir eine Stunde gewartet haben bis der Bus endlich voll war und der Busfahrer sich endlich erbarmt hat loszufahren, war ich schon von oben bis unten durchgeschwitzt. Ich war ziemlich müde, doch an Schlaf war gar nicht zu denken, denn unser Weg führte durch die Blue Mountains, wo die Straßen sehr kurvig sind und man regelrecht durchgeschüttelt wird. Für sensible Mägen ist der jamaikanische Fahrstil eindeutig nicht geeignet 😀 Als wir dann endlich in Ocho Rios angekommen sind, wollten wir uns das Taxi sparen und zum Hostel laufen. Eine ganz schlecht Idee wie sich herausgestellt hat, da wir nach den Anweisungen eines vertrauenserweckenden Sicherheitsmannes etwa eine Dreiviertelstunde in die falsche Richtung gelaufen sind… Daraufhin haben wir dann doch ein Taxi genommen und uns zum Reggae Hostel fahren lassen. Hier hat man gleich gemerkt, dass Ocho Rios ziemlich touristisch ist, da der Taxifahrer von uns 10 Dollar verlangte. Wir waren erstmal total perplex und dachten: Boah wie billig! (10 jamaikanische Dollar sind etwa 7 Cent) bis wir dann rausgefunden haben, dass der Taxifahrer US Dollar meinte… Tja schade eigentlich 🙂

Bevor es aber ins Bett ging, sind wir nochmal ins Städtchen gelaufen und sind was essen gegangen. Dort hat man dann gemerkt wie klein Jamaika ist, denn nach einem kurzen Gespräch mit dem Koch hat sich herausgestellt, dass er auch aus Trenchtown kommt und ein guter Freund von Kush, einem Cousin der Brown Family ist. Das Restaurant hat ital Food serviert, so nennt sich das Essen, was die Rastafari essen. Kein Fleisch, keine Milchprodukte, kein Fisch, kein Salz. Alles natural. Richtig lecker!

 

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Bei den berühmten Dunn`s River Falls in Ochi

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Sowieso ist die Lebenseinstellung der Rastas echt beeindruckend. Die meisten reden sehr gerne und sehr viel aber wenn man sich auf ein Gespräch einlässt kann man viele interessante Sachen erfahren. Es geht dabei oft um „One Love“ und „One people“ und darum dass alle Menschen gleich sind und es nicht um die Herkunft oder die Hautfarbe geht. Viele der Rastas im Culture Yard sind auch richtig begeistert von unserer Arbeit hier und begrüßen uns mit „Respect“ wenn wir nachmittags zum Unterricht kommen.

Am nächsten Wochenende sind wir zum zweiten Mal nach Port Antonio gefahren um uns die berühmten Reach Falls anzuschauen. Da wir dafür aber einen reißenden Fluss hochklettern mussten, habe ich leider keine Bilder der Wasserfälle, sie waren aber wirklich wunderschön!

Was nicht so wunderschön war, war dass ich mir wie Vera und Andrin schon vor mir in Port Antonio leider den Zika Virus eingefangen habe. Drei Tage nach unser Rückkehr nach Kingston hat sich die Krankheit mit Kopf- und Gliederschmerzen und Fieber angekündigt. Da Zika zum Glück jedoch ein vergleichsweise milder Tropeninfekt ist, lag ich nicht im Sterben und meine Mama musste auch nicht nach Jamaika zu kommen um mich zu pflegen. Wenn es um Krankheiten geht, bin ich nämlich wirklich eine Memme und denke immer, dass ich gleich sterben muss 😀 Das einzig gruselige war der Ausschlag, den ich nach zwei Tagen bekommen habe. Überall am Körper hatte ich plötzlich rote Punkte, sogar zwischen den Zehen!!!!!! 😀 Nach einer Woche waren die Symptome aber wieder weg  und nach meinem Arztbesuch war ich auch wieder etwas beruhigter. Richtig schade jedoch war, dass ich an Andrins Abschiedsparty krank war und gar nicht richtig mitfeiern konnte… Es ist echt traurig, dass Dre (Andrins jamaikanischer Spitzname) jetzt weg ist. Er, Vera und ich haben uns wirklich super verstanden und wir waren ein Hammermegageilesspitzen Team. Lieber Andrin: Wir vermissen dich!!!!! <3 <3 <3

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Unser Abschieds Survival Kit für Dre

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In der Jones Town Primary School sind wir gerade dabei unser Programm für die Graduation am nächsten Donnerstag vorzubereiten. Graduation ist so etwas wie ein Abiball bei uns, nur eben in der Grundschule. Hier gibt es sogar in der Basic school, also im Kindergarten eine Graduation. In der JPS sind die meisten der Schulabgänger zwischen 12 und 13 Jahre alt. Der Schulleiter Mr. Robinson hat uns gebeten für die Abschlusszeremonie etwas mit unseren Schülern zu performen. Wir werden also mit dem Chor und der Recorder Class zusammen „We are the World“ aufführen und mit dem Chor alleine „Price Tag“ singen. In der Schule hat man gerade das Gefühl, dass die meisten Schüler schon mit den Gedanken in den Ferien sind (nächste Woche beginnen die Sommerferien) weil oft nur die Hälfte der Gruppe anwesend ist. Das ist ein bisschen nervig, weil man dann nicht richtig proben kann…

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Bubble Head in der Recorder Class 😀

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Getanzt wird immer

Auch in der Basic School und der Model Private School wird nächste Woche die letzte Stunde stattfinden. Ich bin schon gespannt wie es dann in den Ferien wird. Ich hoffe natürlich, dass die Schüler weiterhin regelmäßig zum Unterricht kommen werden. Ich gehe aber mal davon aus, denn genug Geld um in den Urlaub zu fahren, hat hier niemand. Manche werden vielleicht zu ihren Verwandten ins Countryside fahren… In den letzten Tagen durfte ich zu ein paar meiner Schüler nach Hause gehen und ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment wirklich geschockt war, wie die Menschen hier leben. Wie schon gesagt ist unser Haus hier eines der größten und luxuriösesten. In den Wellblechhütten meiner Schüler leben manchmal drei oder vier Leute in nur einem Raum zusammen. In dem gleichen Raum befindet sich die Küche, ein Sofa, ein Fernseher und ein oder zwei Betten. Da ist mir die Armut, die hier herrscht nochmal richtig bewusst geworden. Aber auch von der Gewalt habe ich in den letzten Tagen leider einiges mitbekommen. Wir haben vor dem Haus die Abschiedsparty von Kevin gefeiert, weil er letzten Mittwoch für drei Monate nach Deutschland aufgebrochen ist. Als es schon ziemlich spät war, sind plötzlich sehr viele Schüsse in der Nähe vom Haus gefallen und wir mussten alle reinrennen. Am nächsten Tag haben wir dann erfahren, dass ein Mann erschossen wurde. Das war schon echt eine krasse Erfahrung und ich habe es im Moment als es passiert ist, nicht wirklich realisiert, weil alles so surreal war. Ich habe mich eher wie ein Statist in einem Actionfilm gefühlt. Als ich am nächsten Tag vom Unterrichten im Culture Yard zurückkam habe ich erfahren, dass nachmittags um 16 Uhr schon wieder jemand in unserem Viertel erschossen wurde. Uns wurde dann erklärt, dass die Morde zusammenhingen. Das Problem ist, dass hier gerade ein Machtvakuum herrscht, da der für den Bezirk Trenchtown zuständige Politiker Omar Davis in Ruhestand gegangen ist, und noch nicht klar ist, wer sein Nachfolger sein wird. Dieses Machtvakuum wurde nun also für private Rachezüge der Gangs ausgenutzt. Aber keine Sorge ich bin hier sicher, gerade weil es sich ja um private Angelegenheiten handelt und es keine offenen Schießereien waren. Trotzdem habe ich mal wieder realisiert, in was für einer behüteten Welt ich in Deutschland aufgewachsen bin und was für einen Luxus wir dort jeden Tag genießen. Wir wurden nicht schon als Kinder nachts von Schüssen geweckt oder mit einer allgegenwärtigen Bandenkriminalität konfrontiert. Was meine Schüler hier schon alles erleben mussten und wie viele ihrer Familienangehörigen schon gestorben sind, ist wirklich schrecklich.

Im Gegensatz zu früher ist die Situation im Moment aber sehr ruhig und friedlich. Von 2004-2008 herrschte in Trenchtown Krieg zwischen den verschiedene Areas. Hierzu haben wir letztens eine sehr interessante Dokumentation gesehen, die ich allen Interessierten nur weiterempfehlen kann! (https://www.youtube.com/watch?v=iakVCvPzcvI) Hier könnt ihr mal die Straßen sehen, die ich jeden Tag entlang laufe und ein paar der Leute im Film sehe ich sogar öfters mal auf der Straße.

Mit Noel, einem 12-jähriger Gitarrenschüler habe ich mal ein sehr ergreifendes Gespräch geführt. Er meinte „Weißt du Toni, wenn man als Tourist nach Jamaika kommt und nur in den Hotels am Strand ist oder wenn ihr als Musiklehrer nach Trenchtown kommt und wisst, dass ihr in ein paar Monaten wieder nach Deutschland gehen werdet, dann ist es total schön, aber wenn man hier aufwächst und weiß, dass man sein gesamtes Leben hier verbringen wird und dass man keine Perspektive hat, dann ist es überhaupt nicht mehr toll.“ Nachdem er das gesagt hat, war ich sprachlos. Denn es stimmt: Hier eine Arbeit zu bekommen ist sehr schwer und man kommt nur über Connections an einen Job. Bei den meisten Arbeitgebern ist schon allein die Adresse Kingston 12 (also die Adresse für Trenchtown) ein Ablehnungsgrund. Deshalb haben hier auch nur sehr wenige Leute einen festen Job, viele nehmen Gelegenheitsjobs an und hängen den Rest der Zeit auf der Straße rum. Diese Perspektivlosigkeit zu sehen ist wirklich schlimm.

Aber jetzt wieder zu den schönen Dingen: Letzten Samstag gab es im Culture Yard ein Festival „Living Culture“ und die Veranstalterin Enola vom Redbones, einem Blues Café in Uptown hatte uns eingeladen, etwas mit unseren Schülern aufzuführen. Das war natürlich eine tolle Möglichkeit um unsere Schüler mal vor Publikum performen zu lassen. Auch wenn es in der Sonne auf der Bühne  wirklich brennend heiß war und ich geschwitzt habe wie noch nie in meinem Leben, war unser Auftritt ein voller Erfolg.

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Love <3

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Mit Speck, einem Gitarrenschüler im Culture Yard

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Sowieso läuft im Moment alles ziemlich gut und wir sind gerade dabei für zwei Konzerte, die nächste Woche stattfinden, zu proben. Ziggy ein Artist aus dem Culture Yard bringt nächste Woche nämlich ein Album seiner Band Living Kultcha raus und hat uns gefragt ob wir an deren Konzerten teilnehmen wollen, die am 30. Juni im Redbones und am 1. Juli im Culture Yard stattfinden. Da er uns aber erst letzte Woche gefragt hat und wir deshalb nur zehn Tage Zeit haben zu proben, musste alles ziemlich schnell gehen und Vera und ich saßen die letzten Tage meist bis zwei Uhr nachts am Keyboard und haben Noten rausgeschrieben und transponiert. Jetzt steht das Programm jedoch und wir haben es sogar geschafft eine Band zusammenzustellen (Trompete, Schlagzeug, Klavier, Gitarre, Klarinette, drei Saxophone) mit der wir zum Beispiel „Fly me to the moon“ und „Watermelon Man“ spielen werden. Gestresst zu sein kann man sich hier wirklich sparen, denn von den Jamaikanern lässt sich niemand stressen. Wenn man die Probe um 15 Uhr ansetzt, kann man also immer davon ausgehen, dass man frühestens um 16.30 Uhr anfangen kann 😀 Trotzdem klappt immer alles irgendwie und unsere Band klingt schon erstaunlich gut! Ich freue mich schon total auf die Konzerte und darauf euch zu berichten wie es war.

 

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Ziane am Drum Set

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Ein überglücklicher Jowayne an der E-Gitarre

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Bei Ibo einem Rasta in Downtown der super leckeres Ital Food und köstliche Säfte serviert

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   Ghetto Youths in the street

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Nach unserem Auftritt in einer Primary School

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Na erkennt ihr uns? Genau links ist Vera und in der Mitte bin ich! Wir haben rausgefunden, dass wir uns vor Jahren schonmal auf einer Hochzeit getroffen haben 😀

 

Ich hoffe euch allen geht es gut in Deutschland und ihr genießt den heißen deutschen Sommer (höhöhö) in vollen Zügen.

Liebe Grüße von eurer Antonia <3

 

 

 

 

 

Wah gwaan Germany?

Wah gwaan ihr Lieben,

so begrüßt man sich hier in Jamaika. Das ist Patois und bedeutet so viel wie „What`s up?“

Zwei Wochen sind seit meinem letzten Beitrag vergangen. Zwei Wochen voller spannender Erlebnisse. Schon einen ganzen Monat bin ich hier aber eigentlich kommt es mir viel länger vor, weil ich in dieser Zeit schon so unglaublich viel erlebt habe.

Ich finde mich immer besser zurecht und so langsam habe ich einen Überblick über meine Umgebung bekommen. Trotzdem wird es wohl noch einige Zeit dauern bis ich mich wirklich auskenne, wenn das überhaupt jemals der Fall sein wird. Manchmal wenn ich mit Suarez durch Trenchtown oder Downtown laufe, denke ich plötzlich „Achso HIER sind wir also!!“ :D, weil die Gassen Straßen so verwinkelt sind und vor allem am Wochenende in Downtown so viele Menschen unterwegs sind, dass man echt den Überblick verliert.

Aber ich glaube erst mal muss ich euch erklären was Uptown und Downtown überhaupt ist. Kingston kann man eigentlich in zwei Hälften aufteilen: Downtown und Uptown. Von unserem Zuhause kann man mit einem Route Taxi für 100 JMD (etwa 70 Cent) in zehn Minuten nach Downtown fahren. Wie der Name schon sagt fahren die Route Taxis immer eine bestimmte Strecke. Für mich wirkt Downtown eigentlich wie ein einziger großer Markt, auf dem es einfach alles zu kaufen gibt. Die Händler bieten ihre Waren an kleinen Ständen an, die oft mit riesigen blauen Planen überdacht sind, um sich vor der heißen Mittagssonne zu schützen. Wenn der Wind geht muss man aufpassen, dass man nicht von einer Plane erschlagen wird 😀 In Downtown sollte man als Tourist bzw. als Weißer nicht alleine rumlaufen, sondern immer in Begleitung eines Jamaikaners. Westlich von Downtown liegen die Ghettos Trenchtown und Tivoli Gardens.

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   Downton

Uptown ist der reichere Teil von Kingston, wo man Hotels und Restaurants findet. Hier wohnen die wohlhabenderen Leute.

Und dann gibt es noch Crossroads.

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Eine Straße in Crossroads

Hier gehen wir immer zum Geldabheben hin und manchmal wenn uns die Lust nach Joghurt oder anderen Leckereien überkommt, die man in den kleinen Shops im Ghetto nicht bekommt, gehen wir auch in den Supermarkt. Die Shops in Trenchtown sind eine Sensation für sich. Hier geht man nicht wie in Deutschland in einen kleinen Laden und sucht sich aus den Regalen das zusammen was man haben will, sondern hier bleibt man vor dem Laden stehen. Wenn niemand zu sehen ist muss man erstmal laut „Sir“ oder „Hello“ rufen, damit jemand kommt. Meistens sitzen die Leute im Nebenzimmer wo sie Fernseh schauen oder so. Man muss auch genau wissen was man kaufen will, weil man die Sachen ja nicht sehen kann, die verkauft werden. Manchmal kann man sogar nur durch ein winziges Fenster mit dem Verkäufer kommunizieren 😀 Meine Favourites aus den Shops hier sind SpiceBun (eine Art Gewürz-Brötchen), Bag Juice (pappsüßer Frucht Drink aus der Tüte) und Ice Cream inna Bag (selbstgemachtes Cookie Eis das man aus einer Plastiktüte saugt). Leeeeecker 😀

Aber jetzt zur Musik:

Da Vera und Andrin beide nacheinander krank geworden sind, musste ich ins kalte Wasser springen und das erste Mal alleine in der Modern Private School für lernschwache Kinder unterrichten. Das hat aber sehr gut geklappt und die Kids haben alle super mitgemacht. In der Modern Private School ist es ein bisschen schwer wirklichen Musik-Unterricht zu machen, weil einige der Kinder wirklich eine extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, und so machen wir zwischendurch auch einfach mal Fang- oder Tanzspiele, bei denen sie sich austoben können. In der letzten Stunde haben wir Bruder Jakob im Kanon gesungen das hat schon ganz gut geklappt.

Die anderen Unterrichtsklassen wie Recorder Class, Percussion Class oder Choir laufen auch gut, es ist nur sehr schwierig die Kinder dazu zu bekommen leise zu sein und nicht herumzurennen oder sich gegenseitig zu verprügeln (und da spreche ich nicht nur von den Jungs, die Mädels hier können auch ganz schön fest zuschlagen). Doch meistens bekommen wir sie dazu sich zumindest für eine Zeit lang zu konzentrieren und mitzumachen. In der Percussion Class haben wir letzte Woche einen neuen Body Percussion Rhythmus gelernt und es erstaunt mich echt immer wieder wie viel Rhythmusgefühl hier die meisten Kinder haben. Wenn sie einen Riddim cool finden, fangen sie gleich an dazu zu tanzen und sich zum Beat zu bewegen, das ist so cool!

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   Die Professionals der Recorder Class

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   Der Versuch ein geordnetes Gruppenfoto zu machen

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In der Basic School

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Der Einzelunterricht in Klarinette, Saxophon und Klavier macht unglaublich viel Spaß. Ich habe eigentlich durchgehend motivierte Schüler. Es ist so schön zu sehen, wenn meine Schüler Spaß daran haben Musik zu machen und sich freuen wenn sie etwas richtig gemacht haben. Da macht es richtig Freude zu unterrichten!

Hier kommen die Highlights der letzten zwei Wochen:

Eigentlich kann man Sarahs Abschied nicht als Highlight bezeichnen, weil es wirklich sehr traurig ist, dass sie gegangen ist und alle wollten, dass sie noch länger bleibt, aber ihre Abschiedsparty war wirklich sehr cool. Die Jamaikaner wollten uns beibringen im Jamaican Style zu tanzen. Wenn man sieht wie die Leute hier tanzen kommt man sich ziemlich blöd vor, deshalb war der Tanzunterricht wirklich sehr lustig. Es gibt einige Bilder, die ich euch aus eigenem Interesse aber nicht zeige 😀

SAM_7770   SAM_7778                okay die sind noch harmlos 😛 hier lernen wir den „Raging Bull“ Tanz….

Ein weiteres Highlight war unser Ausflug zur Lime Cay, das ist eine Mini Insel in der Nähe von Port Royal mit einem wunderschönen Strand und tollem Wasser.

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Lime Cay

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Sonnenuntergang in Port Royal

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Port Royal

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Unser Ausflug zu den Hope Gardens war ebenfalls ein tolles Erlebnis. Etabliert wurden die Hope Gardens 1873 auf dem Grundstück von Major Richard Hope, einem englischen Kolonialherrn. Die Gärten sind die größte öffentliche Grünfläche in Kingston und Umgebung. Sie beherbergen eine Vielzahl an exotischen Pflanzen, Bäumen und Blumen. Hier gehen viele Kingstonianer hin, um ein Picknick zu machen oder einfach um zu chillen. Hochzeiten finden hier auch oft statt, und es ist wirklich ein sehr romantischer Ort um zu heiraten. Ich hab schon gesagt, sollte ich jemals einen Jamaikaner heiraten, dann in den Hope Gardens 😀 😀 (Keine Angst Mama ist nur ein Spaß) Danach sind wir noch Billard spielen gegangen und natürlich haben Vera und ich zwei Mal gegen Andrin und Suarez gewonnen!

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Und dann darf natürlich unsere erste Ghetto-Streetparty in der Liste der Highlights nicht fehlen. Am Freitag Abend sind wir mit Kevin, King und Kirk feiern gegangen. Eigentlich war ich schon ziemlich müde als wir losgegangen sind, denn hier bricht man erst so um 1 Uhr auf. Die Party war nicht weit weg von unserem Haus, wir konnten also bequem zu Fuß hinlaufen. Am Anfang waren gar nicht so viele Leute da, und die Musik war auch eher langweilig (neben Dancehall und Reggae hören die Jamaikaner auch gerne RnB und Soul). Um zwei kam dann mal die Polizei vorbei und King erklärte mir, dass die Streetpartys meist um zwei gelocked werden, aber anscheinend waren das nette Polizisten, denn sie sind nach kurzer Zeit, mit Blaulicht und Sirene wieder abgezogen.                                   Ab halb vier ging es dann richtig los. Plötzlich kamen sehr sehr viele Menschen und die Musik wurde immer lauter und der Bass dröhnte uns in den Ohren. Später hat uns Kevin erzählt, dass das eine besondere Streetparty war, da es das größte Soundsystem Jamaikas war, nämlich das Stone Love Soundsystem. Gegen sechs Uhr sind wir dann wieder nach Hause gegangen. Dementsprechend waren Vera und ich am nächsten Morgen ziemlich fertig, als um zehn unser Wecker geklingelt hat. Wir haben nämlich dem Pastor der Seventh Day Adventist Church, den wir in der Basic School kennengelernt haben, versprochen, dass wir um elf in seinen Gottesdienst kommen würden. Nach kurzer Abwägung ob wir nicht einfach liegen bleiben und am nächsten Samstag gehen sollen, haben wir uns schließlich überwunden und sind schlaftrunken in die Kirche gewankt. Wir können ja nach der Kirche nochmal schlafen, haben wir uns gesagt. Wie sich kurz darauf herausgestellt hat, war das reines Wunschdenken, denn der Gottesdienst ging geschlagene dreieinhalb Stunden. In diesen 3 1/2 Stunden wechselten meine Gefühle von Verwunderung über Begeisterung zu Verstörung 😀 Ich war beeindruckt, wie stark der Glaube der Menschen hier ist und wie viel Kraft sie daraus schöpfen. Anders wie bei uns, ist der Gottesdienst hier sehr euphorisch und voller Leidenschaft. Die Gemeindemitglieder singen voller Inbrunst mit und zwischendurch schreit auch mal jemand lauthals „Halleluja“ oder „Thank you Jesus“. Begeistert war ich von dem Zusammenhalt der Gemeinde. Eine Frau, die krank war, bekam den Segen von allen. Alle sind aufgestanden, haben sich um die Frau versammelt und für sie gebetet. Das Verstörende an dem Gottesdienst war für mich der Glaube an den Teufel. In seiner gefühlt einstündigen Predigt hat der Priester immer wieder davon geredet, dass man dem Teufel nicht die Tür öffnen soll, indem man zum Beispiel Filme wie Harry Potter schaut oder die falsche Musik hört. Diesen Gedankengang konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Trotzdem war es eine tolle Erfahrung und als uns der Pastor der Gemeinde vorgestellt hat, haben uns alle total nett begrüßt.

 

Für alle Reggae- und Dancehallinteressierten: Wenn ihr wissen wollt, welche Songs hier täglich und überall rauf und runter laufen; hier eine Liste der besten Songs:

  • Don Andre – Tom Cruise Remix ft. Ding Dong, Chi Ching Ching (https://www.youtube.com/watch?v=kL7nam_liK8)
  • Popcaan – Weed is my best friend (https://www.youtube.com/watch?v=aU0-8DHxiPY)
  • Alkaline – City (https://www.youtube.com/watch?v=139p7gMYef8)
  • Nesbeth – My Dream (https://www.youtube.com/watch?v=wt9vsk82yqE) Kleine Info am Rande: Nesbeth kommt aus Trenchtown 🙂
  • Konshens – Bruck off yuh Back ( https://www.youtube.com/watch?v=FHLS9xyXneg )
  • Popcaan – Ova Dweet (https://www.youtube.com/watch?v=r_FX6UANhLs)
  • Chi Ching Ching – Get There (https://www.youtube.com/watch?v=U4D8wY8k2oM)
  • Tanto Blacks – Real Rich (https://www.youtube.com/watch?v=nkZzlucn8i0)
  • Alkaline – Champion Boy (https://www.youtube.com/watch?v=tdyKjebTj7s)
  • Chi Ching Ching – Roast or Fry (Breadfruit) (https://www.youtube.com/watch?v=IGdtxQM8TuI)
  • Vershon – Used to Hungry (https://www.youtube.com/watch?v=IGUfNYWdG8c)
  • Chronixx – Spanish Town Rocking (https://www.youtube.com/watch?v=L79Q2aKdQzk)
  • Chronixx – Ghetto People (https://www.youtube.com/watch?v=aHQ0PDMLJLY)

Seit letzter Woche habe ich mit Suarez ein allmorgendliches Sportprogramm begonnen. Um 5.54 Uhr klingelt mein Wecker und dann geht es rüber zum Fußballstadion wo wir joggen gehen. Morgens ist es angenehm kühl und es geht eine leichte Brise. Eine richtig schöne Stimmung 🙂 Es erstaunt mich immer wieder, was für einen Tagesrhythmus die Jamaikaner haben. Hier geht man meist erst gegen 2 oder 3 ins Bett und um halb 7 sind die meisten schon wieder wach. Ein Rasta aus dem Culture Yard hat mir erklärt, dass er nicht gerne schläft weil man im Schlaf für den Tod übt 😀 naja ich brauche trotzdem meine acht Stunden Schlaf, deshalb lege ich mich meistens Mittags für ein Stündchen in die Hängematte, die an unserem Mangobaum hängt und lasse mich in den Schlaf schaukeln.

Mein Wochenablauf hat sich mittlerweile eingependelt. Ich gehe von Montag bis Mittwoch zum Unterrichten in den Culture Yard, weil ich dort Saxophon- und Klarinettenschüler habe. Donnerstags bleibe ich im Haus und unterrichte meine Klavierschüler und am Freitag ist dann das Meeting. Ich liebe es im Culture Yard zu unterrichten, doch der Weg dorthin ist echt anstrengend. Wir gehen meist um 15:00 los,vollbepackt mit zwei Saxophonkoffern, einer Klarinette und meinen Noten. Um diese Zeit ist die Sonne so heiß, dass ich erstmal eine Pause brauche, wenn wir im Culture Yard ankommen 😀 Manchmal ist der Gedanke schon sehr verlockend, ein Taxi zu nehmen, aber bis jetzt konnte ich widerstehen…

So und wie letztes Mal zeige ich euch ein paar Impressionen der letzten zwei Wochen:

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Jungs aus Trenchtown spielen „Wettschwimmen“ mit Flaschendeckeln im Abwasser; Orange hat gewonnen ;D

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Eine Straße in Trenchtown bzw. Jonestown

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Im Coaster Bus nach Half Way Tree

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Auf der Farm von Freunden von Suarez`Großeltern in Jonestown

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Schüler im Culture Yard

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Die zuckersüßen Kids in der Basic School

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Hier war ein Tag in der Basic School an dem sich die Kids als Krankenschwester, Polizisten, Lehrer usw. verkleidet haben

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Home sweet Home

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Das Wohnzimmer

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Mit dem total netten Ricky in seiner Bar zwei Straßen von unserem Haus entfernt

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Schöne Abendstimmung auf dem Rückweg vom Culture Yard

 

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Gruppenbild im Culture Yard

Sooo das wars erst Mal von mir… Ich hoffe euch geht`s gut im kalten Deutschland. Ich schicke euch sonnige Grüße!

Soon forward,

Eure Antonia <3

 

Endlich in Jamaika

Hallo ihr Lieben,

unglaublich aber wahr, ich bin endlich in Jamaika!!!                                                                              So richtig glauben kann ich es selbst noch nicht, obwohl ich jetzt schon fast zwei Wochen hier bin.

Bevor ich jedoch irgendetwas erzähle, möchte ich mich von ganzem Herzen bei allen Menschen bedanken, die mich auf dem Weg hierher unterstützt haben (und dies immer noch tun!)                     Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Spendern, bei allen Musikern die mein Benefizkonzert unvergesslich gemacht haben, bei allen, die mich bei meinem Basar unterstützt haben und einfach bei jedem der mir geholfen hat. Ich bin euch so unglaublich dankbar, denn nur durch eure Unterstützung habe ich jetzt die Möglichkeit hier zu sein. Und ich sag´s euch: Es ist wirklich der Hammer hier!

 

Aber jetzt von Anfang an und für alle die es nicht mitbekommen haben: Es gab Probleme mit meinen Visumunterlagen, deshalb konnte ich nicht wie geplant schon Ende Februar los fliegen. Als ich Mitte April endlich alle nötigen Papiere beisammen hatte, konnte es losgehen.                                           Der 20. April war mein großer Tag. Um 11:40 Uhr ging mein Flug von Frankfurt nach Montego Bay. Und wie mich viele von euch kennen, sind mir am 19. April noch ganz viele Sachen eingefallen, die ich noch besorgen und organisieren muss. Das Schlimmste war, dass ich meine Arbeitserlaubnis nicht mehr finden konnte. Bis sie Mama dann im Altpapier entdeckt hat… (Oh je ich höre euch schon sagen „Das ist wieder typisch Antonia“ :D)  Erstaunlicherweise konnte ich wirklich gut schlafen in dieser Nacht und war gar nicht aufgeregt. Die Aufregung kam dann erst als ich durch die Passkontrolle gegangen bin und nun endgültig alleine war. Im Flugzeug konnte ich auch gar nicht wirklich schlafen, weil ich so nervös war. So viele Gedanken sind mir im Kopf herumgeschwirrt.

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Am Flughafen in Frankfurt

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Yammiii

Wer wird mich wohl abholen, wie sieht es in meinem neuen Zuhause aus, werden mich die Leute dort mögen und und und… Aber das ganze Gedankengewirr hatte auch den Vorteil, dass die 10 Stunden Flug ziemlich schnell vergangen sind und ich auch das Premium Unterhaltungsprogramm für extra 8 Euro nicht gebraucht habe.

 

 

 

 

Am Flughafen in Montego Bay angekommen kam die erste Herausforderung auf mich zu. Bei der Immigration, wollte mich die Dame am Schalter einfach nicht durchlassen. Es schien als würden all die Dokumente, die ich ihr gezeigt habe nicht ausreichen. Nach einer gefühlten Ewigkeit und tausend Fragen durfte ich dann endlich durchgehen. Draußen vor dem Flughafen kamen sofort einige Taxifahrer auf mich zu und wollten mich alle für sich und ihr Taxi gewinnen. Zum Glück habe ich Kevin, meinen Gastbruder ziemlich schnell gefunden. Mit dem Coaster Bus, eine Art Minibus, ging es los Richtung Kingston. Die Fahrt war wirklich abenteuerlich. Zu fünft sitzen die Leute hier auf Sitzen die eigentlich für drei Leute ausgelegt sind, was die Reise gleich etwas unkomfortabler macht. Eingezwängt zwischen Menschen und Gepäck fuhren wir in einem rasenden Tempo und mit viel Gehupe an der Küste entlang. Da es noch ziemlich hell war wollte ich mir eigentlich die Landschaft draußen anschauen wurde aber immer wieder von dem extrem brutalen Film abgelenkt der in ohrenbetäubender Lautstärke im Bus lief. Trotzdem fand ich die Insel schon auf den ersten Blick wunderschön. Ich war jedoch froh nach mehr wie 15 Stunden Reise, endlich im Haus in Trenchtown anzukommen. Weil ich so müde war konnte ich die ganzen Eindrücke die in den ersten Stunden im Haus auf mich einprasselten gar nicht wirklich verarbeiten sondern war einfach nur froh so schnell wie möglich ins Bett zu kommen.

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Mango zum Frühstück

Wenn man nachts an einem Ort ankommt ist es umso spannender am nächsten Morgen alles in Hell und Farbe zusehen. Das Haus in dem wir wohnen gehört der Familie Brown. Hier leben eine Menge Menschen und ganz verstanden wie wer mit wem verwandt ist habe ich noch nicht, aber ich kann sagen, dass alle hier sehr sehr nett sind und mich total freundlich empfangen haben! Ich wohne zusammen mit Vera, die am gleichen Tag angekommen ist wie ich, in einem Zimmer. Im Wohnzimmer schlafen die anderen zwei Freiwilligen und Suarez mein Gastbruder. Im Vergleich zu den anderen Häusern hier ist unser Haus mit Abstand das größte und ziemlich luxuriös. Man sieht schon, dass die Gegend sehr arm ist und die Menschen in sehr armen Verhältnissen leben. Trotzdem wirkt es hier sehr idyllisch weil die meisten Wellblechdächer bunt angestrichen sind und überall Mango- und andere schöne Bäume wachsen. Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass Gewalt und Kriminalität hier ein Problem sind.

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Ausblick vom Dach

 

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Eine Straße in Trenchtown

Die ersten Tage waren sehr aufregend. So viel neue Eindrücke, so viele neue Menschen. Zuerst war ich ein bisschen überfordert und dachte, dass ich wohl nie alle Namen der Kinder und der Familienmitglieder kennen und mich nie in den verwinkelten Gassen des Ghettos auskennen werde, aber das kommt mit der Zeit wie ich gemerkt habe.                                                                                                                 Wir sind im Moment vier Freiwillige hier in Trenchtown. Sarah, Andrin, Vera und ich. Sarah ist schon seit sechs Monaten hier und fliegt am Samstag wieder zurück nach Deutschland. Von ihren Erfahrungen und Kenntnissen, können wir sehr profitieren, denn sie hat uns alle Leute vorgestellt und und alles Wichtige gezeigt, das wir brauchen um die Projektarbeit hier gut weiterzuführen.

Es gibt einige feste Termine in der Woche, an denen wir an verschiedenen Schulen Musikunterricht geben. So haben wir etwa in der Jones Town Primary School einen Chor und eine Recorder Class (Blockflötengruppe). Die Schule ist etwa fünf Laufminuten vom Haus entfernt und liegt wie der Name schon sagt in Jones Town, einem Teil von Trenchtown. Außerdem geben wir Unterricht in der Modern Private School für Kinder mit Lernschwäche und in der Basic School für die ganz kleinen Kindergartenkinder. Außerhalb dieser festen Termine geben wir Einzelunterricht im Haus oder im Culture Yard. Dies ist ein wunderschöner Ort der etwa 15 Laufminuten vom Haus entfernt ist. Hier hat Bob Marley gelebt und das Gitarre spielen gelernt. Einer seiner berühmtesten Songs „No Woman No Cry“ ist hier entstanden. Der Culture Yard hat eine ganz besondere Atmosphäre. Einige Rastas leben hier und verwalten einen kleinen Souvenir Shop und ein Museum. Es macht echt Spaß dort zu unterrichten. Im Haus wird hauptsächlich Klavier unterrichtet, da es im Culuture Yard kein Keyboard gibt. Jeden Freitag findet im Culture Yard ein Meeting mit allen Schülern des Projekts statt

Am Anfang hatte ich ein bisschen Bedenken, dass ich keine Schüler bekomme aber mittlerweile mache ich mir da keine Sorgen mehr. Über das Unterrichten kann ich noch nicht so viel erzählen, weil ich es noch nicht oft gemacht habe, aber es macht total viel Spaß weil die meisten Schüler wirklich total süß und motiviert sind. Bis jetzt habe ich drei Klarinetten-, fünf Saxophon- und zwei Klavierschüler.

Hier ein paar Eindrücke vom Unterrichtsalltag:

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Mein erster Saxophonschüler

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Suarez und ich spielen „Stand By Me“ im Culture Yard

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Vera ist mein Versuchsobjekt

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Der Tourbus von Bob Marley

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Süße Kinder in der Jones Town Primary School

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Am Ansatz müssen wir noch ein bisschen dran feilen 😀

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Klarinettenunterricht mit Special und Bubble Head

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Devotion (Versammlung der ganze Schule die jeden Montag stattfindet)

Die Wochenenden sind immer frei, also haben wir die Zeit ausgenutzt um ein bisschen was von der Insel zu sehen. Am ersten Samstag sind wir zum Hellshire Beach gefahren. Das ist ein Strand in der Nähe von Kingston, wo hauptsächlich Jamaikaner hingehen und es nicht so von Touristen überlaufen ist. Am Sonntag sind wir zu den Reggae Falls gegangen,. Hier hat sich herausgestellt, dass ein Ausflug in Jamaika wirklich immer eine halbe Weltreise ist. Erst mit dem Taxi nach Downtown, dann mit dem Coaster Bus weiter und wieder mit dem Taxi zu den Reggae Falls. Die Taxifahrten erinnern mich ziemlich an unsere Indienreise, denn auch hier sitzt man zu acht oder neunt im Auto. Übereinander gestapelt oder auch mal im Kofferraum 😀 Es war ein cooler Ausflug mit super Leuten, denn Kevin, Suarez und Everton (alles Brown Cousins) waren auch dabei.

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Hellshire Beach

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Davia und ich am Hellshire Beach

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Die Reggae Falls (von links nach rechts: Sarah, Andrin, Ever, ich, Suarez, Kevin, Vera) Später haben wir den Fluss   durchquert und sind den Wasserfall hochgeklettert

 

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Auf dem Weg zu den Reggae Falls