Die Zeit verfliegt

Yow ihr alle,

der September hat begonnen und es wird mal wieder allerhöchste Zeit euch zu berichten was ich hier in Jamaika erlebe. In der letzten Zeit ist so viel passiert, dass ich gar nicht so richtig weiß wo ich anfangen soll. Aber ich starte einfach mal chronologisch (und versuche mich kurz zu halten 🙂 )

Im letzten Bericht habe ich euch von den Konzerten erzählt, bei denen wir mit unserer Band spielen sollten. Das erste fand am 30. Juni im Red Bones statt, das ist ein total schönes Restaurant in Uptown, in dem es fast jeden Abend tolle und hochkarätige Live Musik gibt. Deshalb waren wir natürlich alle etwas aufgeregt am Tag des Konzertes, vor allem ich weil wir ja an alles denken mussten: Sind alle Noten da, haben wir das Stimmgerät eingepackt, wie viele Notenständer brauchen wir nochmal? Da war es natürlich nicht hilfreich, dass um 18 Uhr (die Uhrzeit zu der wir eigentlich schon im Taxi sitzen wollten) das Essen immer noch nicht fertig war, unsere Bandmitglieder noch nicht umgezogen waren, aber trotzdem ganz gechillt auf dem Sofa saßen. Ich bin jetzt zwar schon seit mehr als vier Monaten hier, aber daran hab ich mich echt noch nicht ganz gewöhnt. Wenn es nichts Wichtiges ist, dann kann ich ja auch ganz ruhig an die Sache rangehen, aber wenn es um so etwas wie ein Konzert geht, dann bin ich doch schnell mal gestresst. Das Konzert sollte um 20 Uhr losgehen und um 19.30 Uhr hatten wir finally alle Mitwirkenden und Freunde die zuschauen wollten in zwei Taxis verfrachtet und düsten los Richtung Uptown. Im Red Bones angekommen konnte ich mich erst mal entspannen, denn Living Kultcha, die Band die nach uns spielen sollte, war noch mit Aufbauen und Soundcheck beschäftigt. So läuft das halt hier in Jamaika: Alles ohne Stress und letzten Endes klappt dann auch alles. Das ist echt bewundernswert und manchmal frage ich mich, wieso sich die Leute in Deutschland so viel Druck machen, wenn es doch offensichtlich auch ohne geht 😀 Unser Konzert war ein voller Erfolg, auch wenn man natürlich gemerkt hat, dass wir nur 10 Tage hatten um zu proben. Ich würde euch natürlich sehr gerne ein Video zeigen, aber leider ist die Datei zu groß um sie hier hochzuladen.

Danach haben wir noch alle auf einen Drink eingeladen und die coole Musik von Living Kultcha genossen. Es war ein wunderschöner Abend und es war toll zu sehen, wie glücklich unsere Schüler waren und wie sehr sie es genossen haben. Michael, mein ältester Saxophon Schüler (52) kam zu mir und hat sich bedankt, dass wir ihm diese Erfahrung ermöglicht haben. Das hat mich total gerührt.

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Am Freitag war unser zweites Konzert im Culture Yard. Auch das hat gut geklappt und wir haben lauten Applaus bekommen. Doch noch hatten wir keine Zeit zum Ausruhen, denn am nächsten Tag stand unser Beach Trip zum Hellshire Beach mit allen Schülern bevor. Um 5:30 Uhr hat der Wecker geklingelt und wir haben uns fleißig daran gemacht, Thunfisch und Gemüse Sandwiches vorzubereiten. Eine Stunde später waren etwa 60 Sandwiches fertig in einer großen Box verstaut. Um 7:30 Uhr trudelten die ersten Schüler ein. Heute waren sie ausnahmsweise mal über über pünktlich, weil natürlich niemand den Beach Trip verpassen wollte. Mit insgesamt 32 Leuten ging es dann mit Taxis nach Downtown und von dort mit dem Bus zum Hellshire Beach. Zum Glück hat alles gut geklappt und niemand ist verloren gegangen, was in dem Getümmel von Downtown gar nicht so abwegig ist… Für Vera und mich war es kein wirklich entspannter Strandausflug weil wir die einzigen waren, die wirklich gut schwimmen können und wir auf 25 Kinder im Wasser aufpassen mussten. Die hatten jedoch super viel Spaß und der Großteil von ihnen ist ganze vier Stunden nicht aus dem Wasser gekommen. Die Kinder aus Trenchtown kommen, eigentlich so gut wie nie an den Strand, weil den Eltern einfach das Geld fehlt.

Als wir am Abend zurück kamen, sind wir alle halb tot ins Bett gefallen: Das waren wirklich wunderbare, aber auch sehr anstrengende Tage!

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Warten auf den Bus in Downtown

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Ein chaotisches Gruppenbild

Am dritten Juli war Suarez Geburtstag. Vera und ich sind mittags nach Crossroads gefahren um ein paar Geschenke zu besorgen und haben dann später alles vorbereitet. Ich glaube er hat sich wirklich sehr gefreut 😀 Am Abend sind wir dann mit Kristy einer Freundin aus Amerika zum Dub Club gegangen. Der Dub Club ist in den Bergen und eigentlich kein richtiger „Club“, eher ein Hangout Place. Von hier hat man einen wunder wunderschönen Blick auf ganz Kingston. Leider hatte ich meine Kamera vergessen, aber auf einem Bild kann man diesen Ausblick sowieso nicht festhalten.

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Das nächste große Event ließ nicht lange auf sich warten: das Jamaica Music Camp, eine 10 tägige Musik Freizeit, bei der ich als Camp Counselor dabei war. Eine meiner Klavierschülerinnen,die 12-jährige Kaylia hat ein Stipendium bekommen und durfte auch mitfahren. Mein erster Eindruck, als wir in MoBay ankamen ist schwer zu beschreiben. Ich habe mich gefühlt wie im falschen Film. Austragungsort war der Tryall Golf Club in Montego Bay. Über ein riesiges Grundstück direkt am Meer sind hunderte Villen verteilt. Dieser krasse Reichtum im Gegensatz zu der Armut und der Gewalt in Trenchtown hat mich erst mal umgehauen. Alles wirkte so unreal. Die ersten Stunden musste ich wirklich immer wieder ungläubig auflachen, weil die Situation so surreal war. Als Camp Counselor habe ich mich um die Freizeit Aktivitäten gekümmert und auf die Kids aufgepasst. Ich war hauptsächlich für die kleineren Camper zuständig mit denen ich in einer „eigenen“ kleinen Villa gewohnt habe. Am ersten Abend, nachdem ich die Kids ins Bett gebracht habe, saß ich in „meinem“ riesigen Wohnzimmer und konnte es nicht glauben. Ich habe erstmal allen meinem Freunden ungläubige Sprachnachrichten geschickt 😀 Die größeren Camper haben in der wunderschönen Villa Stella gewohnt. Wenn es morgens Zeit fürs Frühstück war, habe ich meine Kids ins hauseigene Golfkart gepackt und sie zur Villa Stella chauffiert. Das Camp wird von Leora O`Caroll, einer Musikerin aus Miami geleitet. Ich kam auch nach ein paar Tagen noch nicht auf die Unterschiede klar. Es gab Küchenpersonal, die drei Mal am Tag feinstes essen für uns gekocht haben, und zwischendrin gab es immer noch Snacks und Limonade. Da wir in Trenchtown immer nur zweimal am Tag essen hatte ich das Gefühl ich bin durchgehend am essen! Doch nicht nur mir fiel es schwer plötzlich in diesem Reichtum und dieser Fülle zurecht zu kommen. Viel schwerer hatte es Kaylia, meine Schülerin. Sie hatte eine wichtige Rolle in einem der Songs, war aber während den Proben oft abwesend und unmotiviert. Ich habe sie dann zur Seite genommen und mit ihr gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass sie Probleme zu Hause hat. Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihren zwei älteren Brüdern in einem Raum. Eigentlich möchte sie zu ihrem Vater ziehen, aber das geht nicht. Ich habe sie gefragt, ob sie es denn gar nicht genießen kann hier beim Camp und darauf hat sie geantwortet „Ich versuche es ja wirklich, aber ich habe immer im Kopf, dass ich ja in zehn Tagen wieder zurück muss!“  Am Ende der zehn Tage stand ein Konzert, bei dem viele der Sponsoren kamen; es war ein voller Erfolg! Einige der Camper sind unglaublich talentiert und es hat total viel Spaß gemacht mit allen zu musizieren, im Pool zu plantschen und abzuhängen. Hier könnt ihr eines der Stücke anhören, das wir aufgeführt haben: https://www.youtube.com/watch?v=4i3UW6FMgwk

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Mein Wohnzimmer #reich #eigeneVilla #crazyWorld

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Der Pool meiner Villa am Abend 😀 😀

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Masterclass von Leora O`Carroll

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Burger um Mitternacht (Alexander,ein total süßer Junge, dessen Eltern sehr sehr reich sind, hatte abends noch Hunger bekommen, da haben ihm seine Eltern eben mal bei Wendys ein paar Burger gekauft und vorbeigebracht… Wir anderen Villa-Bewohner wurden natürlich auch versorgt 😀

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Mein Pool bei Tag

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Der Ausblick von meiner Villa 😀

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Villa Stella (dort haben die größeren Camper gewohnt)

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Tessanne Chin, eine Sängerin aus Jamaika, hat auch eine Masterclass gegeben! Die Kids waren total aufgeregt, weil Tessanne hier in Jamaika ein großer Star ist; sie hat 2013 bei TheVoice America gewonnen

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Horace, der Gärnter, hat jeden Tag einen anderen Namen aus Handtüchern gelegt 😀

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Mein Golfkart

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Nach zehn Tagen wieder nach Trenchtown zu kommen hat sich angefühlt wie nach Hause kommen. Auch wenn es beim Camp wunderschön war und ich viele tolle Leute kennengelernt habe, war es einfach schön meine Familie und Freunde wieder zu sehen und wieder ins real life zurückzukehren.

Zwei Tage nach meiner Rückkehr ist Vera nach Hause geflogen. Da wir uns so gut verstehen und echt ein tolles Team waren, war ich sehr traurig, als sie gegangen ist und am Flughafen sind auch ein paar Tränen geflossen. Mit Vera konnte ich einfach über alles reden, über alle schönen Dinge aber auch über die schrecklichen Dinge die hier passieren. Außerdem habe ich mir viele Gedanken gemacht wie es wohl wird wenn ich als einzige Freiwillige hier bin. Wenn mehrere Freiwillige da sind, wird man halt doch manchmal dazu verleitet, es sich einfach zu machen und deutsch zu reden oder oft zusammen rumzuhängen.

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Veras vorletzter Abend im Bowling Center

Veras Abschiedsparty:

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Miss U Vera <3

Doch all meine Sorgen waren unbegründet, denn ich hatte eine richtig tolle Zeit in den letzten Wochen und ich habe sehr viel gelernt. Ich bin nochmal viel tiefer in die Kultur eingetaucht und habe feste Freundschaft geschlossen. Es ist ein ganz anderes Gefühl hier alleine zu sein, aber es ist ein gutes.

Da die Sommerferien in Jamaika zwei Monate dauern, den ganzen Juli und August, musste ich mir für die Ferien was einfallen lassen. Eigentlich wollte ich weiter unterrichten, doch da viele meiner Schüler ins Country gegangen sind und dort ihre Familie besucht haben und viele der Kids nicht auffindbar waren, weil sie irgendwo auf der Straße gespielt haben, wurde ich aus meinem geregelten Alltag herausgerissen. Suarez und ich haben dann also eine Summerschool für alle übrig gebliebenen organisiert. Dabei wollten wir Spaß und Unterricht verbinden. Wir haben einige Ausflüge organisiert, Filme über Musik angeschaut oder Theorie Unterricht gemacht.

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Wie schon gesagt, die Zeit verfliegt und ehe ich mich versah stand ich schon am Flughafen in MoBay und habe auf meine liebe Mama gewartet. Ich konnte es gar nicht glauben, dass sie gleich aus dieser Tür rauskommen wird und auch als sie dann da war, hat es sich erstmal nicht real angefühlt. Aber ich habe mich unendlich gefreut sie zu sehen und ihr meine neue Welt hier zu zeigen. Und nach ein paar Stunden zusammen war alles wieder wie immer. Nach einer Nacht in MoBay sind wir mit dem Bus nach Kingston gefahren. Diesmal haben wir uns die luxuriöse Variante gegönnt und sind mit einem großen Knutsford Bus gefahren. Das ist das Busunternehmen, mit dem die reicheren Jamaikaner reisen. Hier hat man WLAN und Klimaanlage und generell fühlt man sich eigentlich wie in Deutschland… Nicht das Real Jamaica aber auch mal ganz angenehm, vor allem wollte ich meiner Mama am Anfang nicht allzu viel zumuten, das kam schon noch früh genug. In Trench Town angekommen, habe ich ihr natürlich erstmal die ganze Familie vorgestellt, mein Patenkind Kareem und meine Freunde. Genau wie für mich am Anfang, war es natürlich sehr viel auf einmal für sie und in den ersten Tagen hat ihr der Jetlag auch noch zu schaffen gemacht…

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Das beste Team der Welt wieder vereint <3

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Tollstes Mitbingsel von Mama: Landjäger vom Duty Free 😀

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Mensch ärgere dich nicht mit viel Bescheißen (Opa das wären super Schüler für dich 😀 )

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Mama hat eine Masterclass beim NYOJ (National Youth Orchestra of Jamaica) gegeben; ihr Fazit: die sind ja alle total nett, aber Posaune spielen kann leider keiner…

Eine ganze Woche hat meine Mama mit mir in Trenchtown verbracht und es war so schön all das hier mit ihr zu teilen. Alle haben sie sofort ins Herz geschlossen und sie Mummie genannt 😀 Ich glaube, dass es ihr gut gefallen hat, auch wenn sie meinte, dass sie nie gewusst hat, dass es wirklich so arm ist hier. Natürlich hat sie die Bilder gesehen und alles, aber wirklich hier zu sein ist natürlich nochmal was anderes. Eine Woche ging total schnell rum und dann wurde es auch schon Zeit wieder nach MoBay zu gehen, um ihren Freund Christian abzuholen. Unser Plan war zwei Tage in MoBay zu bleiben und dann noch zwei Tage nach Negril zu fahren. Wir haben einen meiner Schüler, Maleik, mitgenommen. Es war ein toller Ausflug und Christian zu sehen war sehr schön! Auch er kam in den Genuss Trenchtown zu erleben und auch wenn er sich erstmal an die Umstände und vor allem an die Kakerlaken gewöhnen musste 😀 , hat auch er sich schnell eingelebt und sich mit allen super verstanden. Mit Mama hatte ich ausgemacht, dass wir ein paar meiner Freunde und Familie für ein paar Tage an meinen Lieblingsort Port Antonio mitnehmen. Ich bin ihr und Christian so dankbar, dass sie das ermöglicht haben. Wir sind also mit einer großen Reisegruppe Richtung Portland aufgebrochen: Suarez, seine Schwester Kelly mit ihren drei Kindern Obama, Chu Chu und Kareem und Davia, eine gute Freundin von mir.

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Zur Erfrischung nach der Ankunft gab es erstmal ein kühles Red Stripe 😉

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Christian und Maleik beim Frühstück in Negril

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Seven Mile Beach in Negril

In Port Antonio haben wir fünf Tage zusammen verbracht. Fünf wundervolle Tage in denen man gemerkt hat, wie meine Freunde regelrecht aufgeblüht sind und ganz sorgenfrei waren. Das zu sehen war toll. An diesem, meinem Lieblingsort, hat Mama auch ihren 50. Geburtstag gefeiert (kaum zu glauben, ich weiß, so jung wie sie aussieht! das mein ich ernst Mama). Diesen besonderen Tag haben wir am Frenchmen`s Cove verbracht, dem schönsten Strand der Welt. Mama hat es sehr genossen und wir hatten einen wunderschönen Tag zusammen! Geteilte Freude ist doppelte Freude.

Die Reisegruppe wird vorgestellt:

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Chu Chu

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Obama

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Kareem aka BJ

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Davia

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Kelly

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Suarez

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Angelika

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Christian

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Und meine Wenigkeit 😀

Hier ein paar Impressionen unserer Zeit in Port Antonio:

 

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An Mama`s Geburtstag in Frenchman`s Cove

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Im Coaster nach Port Antonio: Ein Erlebnis der ganz besonderen Art

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Immer wenn man dachte, jetzt passt aber wirklich niemand mehr rein, hat der Bus wieder angehalten,um noch jemand reinzuquetschen

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Frenchmen`s Cove

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Meine beste Freundin Davia mit meiner anderen besten Freundin Angelika 🙂

 

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Boston Beach in Port Antonio

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Ein müder Krieger auf dem Arm des Geburtstagskindes

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Eine stolze Patentante 🙂

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Die Reisegruppe am Frühstückstisch

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Die Abschiedsgeschenke kamen super an!

Hier noch ein kleiner Bericht von Angelika, mal aus einem anderen Augen, bestimmt interessant ist für euch:

Ihr Lieben,

es ist 4 Uhr morgens und da ich durch den Jetlag keinen Schlaf finde kann, beginne ich nun zu schreiben. Wir sind nun seit einem Tag zu Hause. Schweren Herzens habe ich mich von Antonia verabschiedet, aber ich hatte sie ja jetzt ganze 4 Wochen. Antonia hat mich gebeten meine Eindrücke von Jamaika zu schildern und ich glaube das ist eine wirklich gute Idee. Sie ist nämlich mittlerweile völlig im „ Jamaika – Groove“ angekommen, vieles nimmt sie anders wahr und das ist auch gut so. Ich würde mal lapidar sagen, anders kann man das auch nicht aushalten.

Das gleiche Kind, welches früher vor einer Spinne schreiend davonlief, duscht heute mit einem (Flip-Flop bekleideten)Fuß auf dem Abfluss der Dusche stehend. Dies dient dazu die Kakerlaken und Tausendfüßler  abzuhalten, während des Duschens  aus dem Abfluss zu kriechen. Die Tausendfüßler, so genannte „fourty-legs“, sind übrigens hoch giftig….. Das Ganze findet im Dunkeln statt, da die Glühbirne schon lange einen Wackelkontakt hat. Manchmal erbarmt sich die Glühbirne für 10 Sekunden , wenn man die Geduld hat mit dem Wischmob lange genug dagegen zu schlagen. Kakerlaken findet Antonia erst ab einer Größe von 10 cm eklig, sogenannte „Jumbos“, die anderen werden kurzerhand mit dem bereits erwähnten Flip-Flop  tot geschlagen.Die Freiwilligen schlafen (bei voller Besetzung) zu dritt in einem winzigen Zimmer. In der Zeit als ich da war, hatte ich das Vergnügen den unteren Teil des Stockbetts zu bewohnen. Auf Dauer kann diese (sogenannte )Matratze wohl nur nur ein seeeehhhhrrr junger Rücken aushalten.Insgesamt habe ich 11 Tage im Slum verbracht, Christian immerhin 4 Tage.

Mein erster Eindruck, als mich Antonia am Flughafen abgeholt hat, war „wow mein Kind ist erwachsen geworden“. Sie verhandelt mit Taxifahrern, als wäre sie in Delhi auf dem Wochenmarkt. So billig wie wir, ist glaube ich noch nie jemand zum Hostel gefahren. Sie spricht fließend Englisch, sie versteht „ Patois“  (das Sprechen übt sie noch) und organisiert alles was auf einer Reise zu tun ist. 

Aber nun zu meinen Eindrücken  in Trenchtown.  Als ich mit Antonia und Suarez durch die Strassen und Gassen gelaufen bin, kamen immer wieder strahlende Kinder auf Antonia zu gerannt und warfen sich in ihre Arme. Immer wieder rief es, „Yow Toni wah gwaaaan“.

Suarez ist übrigens der Grund, dass ich tatsächlich überhaupt keine Angst um Antonia habe.Er begleitet sie, kennt die Guten und die Bösen in Trenchtown und hat immer ein wachsames Auge auf alles.  Lieber Suarez hier noch einmal ein dickes DANKE an dich , dass du so toll auf Antonia aufpasst! Kevin Kostner ist ein Dreck dagegen…… 

Antonia hat es in den wenigen Monaten geschafft die Kinder und Menschen hier für sich zu gewinnen. Die Kinder lieben sie und Antonia liebt die Kinder. Mit einer Engelsgeduld wird unterrichtet, manchmal getröstet und ganz selten auch geschimpft. Auf der Nase tanzt ihr keiner rum, sie ist der Chef und das akzeptieren alle. Sie hat Freunde, sie liebt die Menschen, sie bewegt sich völlig selbstverständlich in einem Umfeld, in das sich nicht einmal Einheimische trauen. Wenn man den Menschen erzählt, dass man nach Trenchtown geht oder gar dort wohnt, glauben sie es nicht.  Weiße Menschen in Trenchtown, das geht gar nicht. Warum das so ist, wurde mir dann auch bald klar. In der Zeit, in der ich und später auch Christian da waren, wurden insgesamt 6 Menschen erschossen. Es sind Taten, die wir niemals begreifen werden. Wenn eine Gang jemanden erschiesst, wird am nächsten Tag einer von der anderen Gang erschossen. In der letzten Woche in der wir dort waren, wurde ein Mann mit seinem 2 jährigen Baby auf dem Arm erschossen. Das Baby wurde mit einem Kopfschuss getötet.

Viele junge Menschen die Antonia kennt, waren schon Zeugen solcher Gewalttaten. Oft wird man bedroht und drangsaliert und verprügelt, weil man Mitglied ein dortigen Gang werden soll. Man ist wirklich machtlos und um so mehr wird einem bewusst, wie wertvoll die Arbeit der „ Musiker ohne Grenzen  “ ist.

Sicher, ein Tropfen auf den heißen Stein, aber steter Tropfen…….

Die Kinder haben eine Zuflucht, sie haben die Möglichkeit sich mit etwas Schönem zu beschäftigen, sie erarbeiten was als Gruppe, sie können auch mal stolz sein und manchmal bekommen sie dort auch einfach etwas zu essen. Auch das ist nicht selbstverständlich. Oft reicht das Geld nur für eine Mahlzeit am Tag. Auch das ein Satz der sich mir eingeprägt hat: “ Es muss zumindest keiner hungrig einschlafen“. Tagsüber aber ist der Hunger für viele Kinder ein ständiger Begleiter.

Und hier kommen wir zum Hauptproblem, kaum einer der im Slum lebenden Menschen hat Geld. Es gibt nicht zu arbeiten und Antonia erzählte mir, dass allein die Adresse Kingston 12 ausreicht, nirgendwo eine Anstellung zu bekommen. Allgemein ist es auf Jamaika so, dass die wenigsten Menschen ein geregeltes Einkommen haben. Auf dem Land haben die Menschen den Vorteil, dass sie wissen ,wo die Brotfrucht- und Mangobäume wachsen und somit zumindest genug zu essen haben. Die Vorstellung, Jamaika wäre eine karibische Trauminsel, kann man sich sehr schnell abschminken, vorausgesetzt man bewegt sich als Tourist aus seinem 5 Sterne Luxus- Resort raus. Was sicherlich nicht alle tun….. Um es wirklich zu begreifen, muss man es gesehen haben. Mütter leben mit ihren 3 Kindern in einem Raum, eigentlich ein Bretterverschlag mit Wellblechdach. Es gibt ein ca 1,40 breites Bett für alle und einen Ventilator, ohne den man hier wirklich kein Auge zudrücken kann. Wir haben das mit eigenen Augen gesehen. Es gibt keine Küche, es gibt keine Dusche, es gibt kein Klo im Haus. Gewaschen wird von Hand, aber man erlebt nicht, dass jemand ungepflegt herum läuft. Überhaupt sind die Jamaikaner tolle Menschen. Man erlebt niemanden schlecht gelaunt, motzig oder ungeduldig. Selbst im wirklich chaotischen Straßenverkehr, im völlig überfüllten Bus oder Taxi bei sengender Hitze, rückt man halt zusammen oder stapelt sich. Da könnte sich hier manch einer was abgucken. Allerdings drückt die ständig akute Gewalt und Sorge wohl schon aufs Gemüt.

Wirklich wahrgenommen haben wir das, als wir zu neunt für 5 Tage nach Port Antonio gefahren sind. Alle waren plötzlich wie verwandelt, der 7 jährige Obama sagte: „I will stay here forever“ Alle waren  viel gelöster und fröhlicher. Meinen 50. Geburtstag durfte ich dann mit einer wundervollen Gruppe feiern. Suarez, seine Schwester Kelly, ihre 3 Kinder Chu-Chu, Obama und Kareem ( Antonias Patenkind) und Davia Antonias beste Freundin hier und natürlich Christian. Wir hatten eine traumhaften Tag an dem schönsten Strand den ich je gesehen habe.

Insgesamt hat mich diese Reise ein weiteres Mal sehr nachdenklich gestimmt. Wir sind die Glücklichen, die am richtigen Ort geboren wurden. Wir haben ein funktionierendes Sozialsystem, Krankenkassen, Renten, Arbeitslosengeld, einen Job oder halt Hartz 4 . Für uns alles selbstverständlich, in vielen Teilen der Welt unvorstellbar. Unsere Kinder können auch ohne teure Schuluniform zur Schule gehen. Wir können Schulbücher leihen, wir müssen sie nicht für teures Geld kaufen. Für viele Slumbewohner ist es fast unmöglich das Geld für ihre Schulkinder aufzubringen. Was ein veraltetes, bescheuertes System!!!! 

Junge Leute die sich bei Organisationen wie „ Musiker ohne Grenzen“ oder den vielen anderen Freiwilligendiensten  engagieren, sind diejenigen die völlig selbstlos Licht und Hoffnung in Gegenden bringen, in denen es eigentlich wenig Hoffnung gibt. 

Und wenn es dann der ein oder andere schafft, durch diese Arbeit aus dem Elend  zu entkommen, dann hat sich das Engagement schon gelohnt.

Dank euch Allen, 

eine stolze Mama

Hier ein paar Fotos/Eindrücke

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Vor Laura`s Shop, wo ich Stammkunde bin

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„Serve“ ruft man hier in das kleine Fenster rein, wenn man etwas kaufen möchte

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Price Street in Jonestown, einem Teil von Trenchtown

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Bei der TV-Show Rising Star, für die wir Karten von Rosina, meiner österreichischen Freundin bekommen haben!

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Sind sie nicht süß?!?!

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Für mich fängt die richtige Arbeit jetzt dann wieder richtig an, da am Montag Schulanfang war und ich meinen Unterricht vorbereiten muss. Ich freue mich schon wieder auf den Schul-Alltag, denn das Unterrichten macht einfach total viel Spaß. Gut ist, dass nächste Woche drei neue Freiwillige ankommen, die mich unterstützen können.

Meine Reisepläne haben sich übrigens ein bisschen geändert. Ich komme nicht wie geplant am 14. September sondern am 28. zurück, da Joza, die Projektleiterin aus Baden-Baden am 15. September nach Jamaika kommt und ich ihr gerne noch die Leute vorstellen möchte, welche sie noch nicht kennt und natürlich auch noch ein bisschen Zeit mit ihr verbringen will, weil sie einfach mega cool ist und mir immer hilfsbereit zur Seite stand, wenn ich Hilfe gebraucht habe 🙂

Ich melde mich bald wieder bei euch, bevor ich nach Hause fliege!

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Das Hinterteil ist hier in Jamaika ein sehr wichtiges Körperteil, deshalb hab ich mal versucht ein bisschen nachzuhelfen 😀

Eure Antonia <3<3<3

 

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