Lange ist es her, dass ich mit Vincent zusammen meine erste Reise in Ecuador begonnen habe. Am 18. Oktober 2018 landete ich in Guayaquil, und wenige Tage später ging es auch schon los: Ziel war Mompiche an der Nordküste Ecuadors. Nun, sieben Monate später, geht es ein letztes Mal auf Tour. Gemeinsam mit Maïa starte ich am Morgen des 15. Mai mit dem Bus nach Quito – der Ausgangspunkt unserer Abschiedsrunde durch Ecuador. In den kommenden drei Wochen werden wir über 3.000 Kilometer zurücklegen und dabei ein letztes Mal wunderbare Erfahrungen in diesem tollen Land machen.
In der Hauptstadt geht es erst einmal um Maïas Visum. Nach viel zu viel Zeit und Geld haben wir am 16. Mai endlich Gewissheit – sie darf im Land bleiben. Hoffentlich müssen wir nie wieder das Amtsgebäude in Quitumbe betreten… ich habe dort schon zu viel Lebenszeit verschwendet. Dafür nutzen wir die folgenden Tage für einen Besuch im mäßig interessanten Museo del Banco Central und im sehr interessanten Museo del Arte Precolonial mit sehr gut erhaltenen Fundstücken aus der Zeit der Inka und deren Vorgänger. Auch fahren wir zum bekannten Handarbeitsmarkt in Otavalo, wo man von Decken über Ponchos bis Holzspielzeug alles mögliche finden kann. Dort schlendern wir den halben Tag durch die Gassen, schauen uns alles an und feilschen um Preise. Am Abend nehmen wir den überfüllten Bus zurück zum Terminal Quitumbe, wo der nächste Reisebus auf uns wartet.
Die Nacht verbringen wir im Bus, um am nächsten Morgen unser nächstes Ziel zu erreichen: Mompiche. Der geneigte Leser erinnere sich sieben Monate zurück… Wie bei meiner Reise mit Vincent ist das Programm hier Faulenzen und Entspannen. Dieses Mal wagen wir uns auch vom Strand weg und machen einen Spaziergang durchs Dorf – wobei wir merken, dass Mompiche wahrlich schon bessere Zeiten gesehen hat. Ansonsten essen wir ein paar Mal in unserem Lieblingscafé „La Chocolata“, in dem es tatsächlich gutes Brot gibt, schlafen viel und holen Maïas Schal in einem Hostel ab, den wir im Februar dort vergessen haben. Es regnet viel und ist bewölkt, der Meerblick ist trotzdem schön.
Am Morgen des 21. Mai starten wir ein kleines Abenteuer – wir wollen in den Süden, und zwar auf der Küstenroute. Im Internet habe ich eine Beschreibung gelesen; bin aber nicht sicher, ob diese noch aktuell ist. Von einem Taxi lassen wir uns also zur Hauptstraße bringen, wo wir auf den Bus nach Chamanga warten – der auch tatsächlich kommt. Eine Dreiviertelstunde später steigen wir am Zielort aus und werden gleich von drei Busfahrern bedrängt, die uns nach Canoa bringen wollen – da wir sowieso dorthin müssen, steigen wir ein. In Canoa verbringen wir die Nacht in einem Hostel, am nächsten Morgen finden wir einen Bus, der uns über die längste Brücke Ecuadors (die gar nicht einmal soo lang ist) nach Bahía de Caráquez bringt. Wir stellen fest: Es ist gar nicht so schwer, seinen Weg zu finden – wenn man ein bisschen die Karte im Kopf hat und, vor allem, Spanisch spricht. Zum Glück können wir uns beider Eigenschaften rühmen…
In unserem Reiseführer haben wir gelesen, dass Bahía de Caráquez eine der schönsten und saubersten Küstenstädte Ecuadors sei – einige Erdbeben haben dafür gesorgt, dass diese Beschreibung nicht mehr ganz der Wahrheit entspricht. Als wir das Museum der Stadt besuchen wollen, müssen wir feststellen, dass es wegen Erdbebenschäden geschlossen ist – bis Anfang 2020. Manabí, so heißt die Region, ist immer wieder Epizentrum von kleineren und größeren temblores. Also können wir nicht ins Museum, aber die Leute in der Museumsverwaltung empfehlen uns, eine Eco-Farm zu besuchen, die von einer Schweizerin betrieben wird. Dort machen wir einen schönen Rundweg durch dicht bewachsene Natur. Danach steigen wir noch auf den Aussichtspunkt in Form eines Kreuzes, das nicht mehr ganz so stabil aussieht – ich bin froh, als wir wieder unten sind. Und dann heißt es auch schon wieder adiós, denn wir wollen über Jipijapa nach Puerto López.
Allerdings haben wir nicht mit unserer Müdigkeit gerechnet. Wir schlafen im Bus ein – und als wir wieder aufwachen, haben wir Jipijapa längst verpasst. Ich frage einen anderen Reisenden – der mir bestätigt: Wir kurz vor Guayaquil! Wir verbringen also die Nacht nicht in einem Hostel, sondern am Terminal Terrestre, bevor wir um vier Uhr früh in den Bus nach Jipijapa steigen – diesmal aus der anderen Richtung.
Dieses Mal verpassen wir den Ausstieg nicht und erwischen den richtigen Bus nach Puerto López. Dort schlafen wir erst einmal eine Runde, bevor wir am Strand entlang spazieren, etwas essen und unsere Wäsche zur lavandería bringen. In der Hauptstadt Manabís werden wir etwas länger bleiben, denn es gibt viel zu sehen: Zum Beispiel den Strand Los Frailes und die Ausgrabungen in Agua Blanca. Dort werden wir durch die Ruinen der alten Tempel- und Wohnanlagen geführt und baden in einer Mineralquelle. Und bekommen Schlamm für Gesichtsmasken…
Am Freitag steht Schnorcheln auf dem Programm – wir haben am Vortag eine Tour zur Isla de la Plata gebucht. Diese Insel wird oft als „Galápagos des armen Mannes“ bezeichnet, weil sie zwar nicht mit Galápagos zu vergleichen ist, aber auf ihr trotzdem eine beeindruckende Natur zu finden ist. Besonders die verschiedenen Vögel wie den Fregattvogel kann man gut beobachten. Wir fahren mit einem Motorboot etwa eine Stunde zur Insel und erkunden dort das Korallenufer. Leider kann ich keine Fotos machen – wir sind ja unter Wasser – aber jeder, der schon einmal einen Naturfilm über die Unterwasserwelt an Küsten gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, wie toll unser Erlebnis ist. Am Abend treffen wir dann die anderen Teilnehmer der Tour wieder, um gemeinsam einen zu trinken und in einem Café anlässlich des besagten Festivals ein paar Kurzfilme einer feministischen Organisation anzusehen. Und wir kaufen die Tickets für den Bus, denn…
Am nächsten Morgen geht es um acht Uhr früh los zurück Richtung Quito. Und, wer hätte es gedacht, es wird ein weiterer im Bus verbrachter Tag… elf Stunden Fahrt, dann kommen wir endlich an. Wir besuchen, weil wir die Erfahrung machen wollen, noch einen Club und eine Bar am Plaza Foch, dem „Partyzentrum“ Quitos, dann fallen wir ins Bett. Wir gönnen uns einen langen Schlaf, bevor wir am folgenden Mittag nach Pululahua aufbrechen – das ist der Krater, den wir schon bei unserer letzten Reise gesehen haben, aber nicht viel Zeit hatten. Wir fanden den Ort beim ersten Mal so magisch, dass wir unbedingt noch einmal zurück wollen. Weil wir eine weitere freie Hotelnacht haben, können wir im „Hotel Crater“ einchecken – ein sehr (normalerweise zu) schönes Hotel direkt am Kraterrand. Vom Bett aus sehen wir durch das riesige Fenster – nichts. Der Nebel ist so dicht, dass wir uns für den Ausblick gedulden müssen.
Morgens ist es jedoch normalerweise klar, und so können wir die faszinierende Landschaft betrachten, als wir am nächsten Tag eine Reittour hinab in den Krater machen. Faszinierend ist auch die Störrigkeit meines Pferdes – alle paar Meter bleibt es stehen und will nicht mehr. Doch die Natur im Krater und das schöne Wetter können das gut ausgleichen. Später am Tag besuchen wir noch das Museum, dessen Bau einem Inkatempel nachempfunden ist. Dort sehen wir auch die Ausstellung des hier sehr berühmten Malers Cristóbal Ortega Maila, der in drei Minuten nur mit seinen Fingern und Farbe schönere Bilder fertigt, als ich es in drei Tagen und allem möglichen Equipment je könnte.
Unser nächstes Ziel ist einer der höchsten aktiven Vulkane der Erde: Der Cotopaxi. Wir kommen über airbnb im Haus von Olga nahe Machachi unter – eine sehr liebe Frau, die sich um uns kümmert und sogar ein Klavier besitzt. Von dort aus besuchen wir den Nationalpark, wo wir eine Tour mit einem Taxi buchen müssen, weil man nicht alleine hineindarf und die Distanzen zu groß sind. Also werden wir zunächst zu einem interessanten Museum gebracht, dann zur Laguna Limpiopungo, die wir umrunden und dabei einen guten Blick auf den teils wolkenverhüllten Vulkan haben. Eine echte Besteigung haben wir nicht vor – wir haben weder die Zeit noch Ausrüstung – aber der Anstieg zum ersten refugio ist aufgrund der Witterungsbedingungen herausfordernd genug. Wir müssen aufpassen, dass der extrem starke Wind uns nicht vom Hang pustet. Der Schnee, durch den wir stapfen, lässt sich einen nicht wirklich danach fühlen, in Ecuador zu sein… Im refugio belohnen wir uns dann mit heißer Schokolade und Suppe. An den Wänden hängen Flaggen, auf denen sich erfolgreiche Besteiger der jeweiligen Nationalität verewigt haben. Ich sehe sogar eine von Fortuna Düsseldorf…
Der nächste Vulkan auf unserer Route, wenn auch nicht mehr aktiv, ist nicht weniger beeindruckend: Von Latacunga aus erreichen wir mit dem Bus Quilotoa. Im Krater befindet sich ein wunderschöner, grün-blau schimmernder Vulkansee. Der Legende nach hatte Cotopaxi eine Affäre mit dem Vulkan Iliniza-Süd, die schon mit Iliniza-Nord verheiratet war. Der Vulkan Rumiñahui jedoch fand das heraus und erzählte es Ilinza-Nord. Cotopaxi schämte sich sehr, weshalb er sich noch heute so oft mit Wolken verhüllt. Der Sohn der beiden Ilinizas, Volcan Corazón, war so traurig über die Tat seiner Mutter, dass seine vielen Tränen Laguna Quilotoa formten.
Ob diese Legende nun wahr ist oder eher nicht, Quilotoa ist in jedem Fall ein magischer Ort. Wir stehen lange am Kraterrand und blicken in den wunderschönen Vulkansee hinab. Dann machen wir uns an den Abstieg, hinein in den Krater, und leihen uns, unten angekommen, ein Kajak aus. Vom Wasser aus hat man noch einmal einen ganz besonderen Blickwinkel.
Vulkan Nummer drei, wo unsere letzte geplante Wanderung stattfinden soll, ist der Chimborazo – der höchste Vulkan Ecuadors. Misst man vom Erdmittelpunkt aus, ist er sogar höher als der Mount Everest, da die Erdoberfläche gekrümmt und daher am Äquator etwas dicker ist. Wir werden von einem Bus in den Nationalpark gebracht und nehmen ein Taxi zum ersten refugio. Von dort aus steigen wir zum zweiten refugio und einem kleinen Bergsee. Die dünne Luft und die Höhe – wir sind auf fast 5.000 Metern n.N. – machen das Wandern zur Herausforderung. Zum Vergleich: Die Zugspitze ist 2.962 Meter hoch. Der Vulkan ist von Wolken verhüllt, doch als wir wieder beim ersten refugio sind, sehen wir die schneebedeckten Hänge aufblitzen. Und zurück in unserem Ausgangsort Riobamba sehen wir in der Ferne, vollkommen wolkenfrei, den Vulkan Tungurahua. Die Anden sind schon beeindruckend.
Die letzten Etappe unserer Abschiedsreise ist Ecuadors Süden, in den wir bisher überhaupt noch nicht vorgedrungen sind. Um nach Loja zu gelangen, müssen wir allerdings gut Kilometer machen – wir teilen die Busfahrt auf und fahren über Alausí, wo wir übernachten, und Cuenca, wo wir (gutes) Brot kaufen, zu unserem Zielort – in Loja wohnen wir per airbnb bei Julie und Guastavo. Die Stadt erkunden wir am nächsten Tag, sie gefällt uns sehr gut. Es gibt viele Parks, plazas und eine Kathedrale. Besonders begeistert sind wir vom Parque Jipiro: Dort sind zwischen den üblichen Spielplätzen, Basketballkörben und Fußballtoren Häuser in Stilen verschiedenster Länder der Erde aufgebaut. Da steht der Eiffelturm nicht weit entfernt von einem kleinen Märchenschloss und einem indischen Tempel, während man in der Ferne den Kreml zwischen den Bäumen erkennen kann. Zudem werden Attraktionen wie Pferdereiten angeboten – wir leihen uns für eine halbe Stunde ein Tretboot und schippern durch den kleinen angelegten Fluss. In der Mitte des Sees ist ein kleiner Zoo, sodass man vom Wasser aus Pfaue, Flamingos und andere Vögel beobachten kann. Der Park kommt offenbar auch bei den Einheimischen gut an: Am Sonntagnachmittag ist hier einiges los. Von so etwas sollte es mehr geben, finden wir beide.
Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug nach Vilcabamba im Süden Lojas. Das ist angeblich die Stadt mit den ältesten Menschen Ecuadors oder sogar der Erde, je nach Erzählung, wir treffen allerdings fast nur junge Leute. Seit einigen Jahren gibt es in Vilcabamba eine Art neue Hippie-Bewegung, was man durchaus spürt, wenn man durch die Straßen geht. Sehr gut gefallen mir die vielen Wandmalereien. Eigentlich wollen wir zur französischen Bäckerei, um – natürlich – Brot zu kaufen, doch sie hat nicht offen. Einen Besuch wert war der kleine Ort dennoch.
Früh aufzustehen sind wir von der Reise ja mittlerweile schon gewohnt, und auch in der Nacht auf den 4. Juni bekommen wir nicht viel Schlaf: Um kurz vor fünf fährt der Bus vom Terminal Richtung Piñas im Südwesten Ecuadors. Nach vier Stunden Fahrt steigen wir in Portovelo aus – ein Ort im Halbdschungel, von dem ein kleinerer Bus zu unserem Zielort geht: Zaruma. Als wir in Zaruma ankommen, können wir zuerst nicht verstehen, warum der Reiseführer dieses abgelegene Städtchen so nachdrücklich empfohlen hat – auf den ersten Blick sieht man nicht mehr als die üblichen Häuser, Läden und kleine Fabrikhäuser. Später am Tag aber besuchen wir das Zentrum und können die Empfehlung nun nachvollziehen: Nicht nur hat man von überall einen tollen Ausblick auf die umliegende Berglandschaft, auch befinden sich im Zentrum der Stadt, die von spanischen Einwanderern errichtet wurde, viele alte Häuser im Kolonialstil sowie eine sehr schöne Kirche. Am Tag darauf besichtigen wir zudem die nicht mehr betriebene Goldmine, die der Stadt einst zu Wohlstand verhalf, und das Museum der Stadt. Zudem probieren wir die lokale Spezialität – tigrillo – ein Frühstücksgericht aus verde, das mich vom Geschmack her ein bisschen an Käsespätzle erinnert. Ehe wir‘s uns versehen, ist die Zeit zum Abschied gekommen – der Bus nach Guayaquil wartet nicht.
In den letzten drei Wochen haben wir also noch einmal eine Abschiedstour durch ganz Ecuador gemacht – und ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Verschiedenes man in nur einem einzigen Land alles erleben kann. In Zaruma treten wir unsere vorerst letzte Busreise an – nicht nur mit unseren Rucksäcken im Gepäck, sondern auch vielen Erfahrungen und Erlebnissen, die uns keiner mehr nehmen kann.
