Heute will ich mal von Menschen aus dem Guasmo erzählen, ohne die der Guasmo nicht der Guasmo wäre. Hier also der Versuch, als gringo (Ausländer) die besondere Stimmung im Guasmo einzufangen, die durch diese verschiedenen Menschen generiert wird und mir inzwischen sehr lieb geworden ist. Oder vielleicht leichter erfüllbar: Portraits einiger Legenden aus dem Guasmo.
Solitario George
Solitario ist die erste Legende, die hier präsentiert werden soll. Er benennt sich nach der berühmten Riesenschildkröte „Solitario George“ (Einsamer George) von den Galápagosinseln, welcher der letzte Überlebende seiner Art war und in zwischen auch gestorben ist und posthum zu einer Symbolfigur für Arterhaltung auf dem Archipel geworden ist. Unser Solitario George hält sich auch für den letzten Überlebenden seiner Art, nämlich der letzte offene, tolerante, soziale, gesunde und umweltbewusste seiner Familie. Solitario lud uns eines Nachmittags in den Parque Acuatico, ein eintrittfreies Schwimmbad ein, seitdem sind wir dicke Freunde. Als ich ihn gestern besuchte, um das Bild zu schießen, gab er mir noch viele Hinweise, was ich noch in mein periodico (Zeitung, damit meinte er den Blog) schreiben sollte. Letztlich unterhielt er sich mit mir eine geschlagene Stunde über alte deutsche Fußballer (deren Namen ich teilweise zum ersten Mal hörte), vom Guasmo von früher, den schlechten Straßen, den Überschwemmungen, dem Wasser holen, den schwarzen Moskitowolken, aber auch wie billig in Zeiten des Sucre alles war, sein Haus hat ihn damals knapp 6 $ gekostet, wie viel gesünder das Essen war und wie schön es war, sich mit der ganzen Familie unters Wellblechdach zu stellen, um zu duschen, weil man Wasser sparen musste. Jetzt sei der Guasmo un barrio bien bonito. (Ein ziemlich schönes Viertel)
Die Streetball-Jungs
Nachdem Fußballspielen mit den Jungs von Clave de Sur etwas aus der Mode gekommen war, hat mich John, mein bester Ecci-Freund, eines Tages mit in den nahegelegenen Parque Stella Maris genommen, wo sich so gut wie jeden Abend eine Streetball-Gruppe trifft. Inzwischen gehe ich gut drei Mal die Woche zum parque, meist auf Nachfrage von John „Vas a jugar?“ (Gehst du spielen?) verbunden mit einer Handbewegung, die das Prellen des Balls andeutet.
Die Schokobananen-Verkäuferin
Ziemlich zu Beginn meines Aufenthaltes hat mich John eine Parallelstraße von Clave de Sur (Notenschlüssel des Südens, unsere Musikschule) entfernt, zu einem Privathaus geführt, an dessen Fenster gefrorene Bananen, die in feinste Schokosoße getaucht werden, verkauft. Ein Traum. Inzwischen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwer zu unserer Bananenlady rennt, um für die ganze Bagage eine Runde zu schmeißen. Die Leckerein sind nämlich spottbillig: 15 Centavos für die klassische Variante (das einzig Wahre), 10 Centavitos für die kleine, noch süßere Bananensorte und für 25 Centavos kriegt man noch Erdnüsse in den Schokoüberzug.

Mit Vincent und der verführerischen Trophäe bei der Bananenfrau
Las tortillas de Mama Cesi
Zu diesem Hotspot lokaler Kultur, ein Stand, der tortillas (Kochbananen-Puffer) und empanadas (gefüllte Teigtaschen) hat uns Albaro, ein Mitarbeiter bei Mi Cometa (Mein Drachen, Dachorganisation von Clave de Sur) und Partylöwe eines Nachts gebracht. Der Stand ist vor dem Krankenhaus lokalisiert, wo einige weitere Stände, deren Verkäufer sich alle kennen, den Blessierten oder deren Angehörigen meist fettige Leckereien anbieten. Demnächst unternehmen alle Verkäufer eine gemeinsame Reise. Das Tolle an der Sache ist, dass der Stand nur nachts öffnet, weswegen wir meist zu später Stunde mit dem ein oder anderen Bier intus auftauchen. Als wir letztens da waren, präsentierte uns Mama Cesi stolz ihr Werbeshirt.

V.l.n.r.: Tochter Cesi, die eine eigene Band hat, Badman, meine Person, der unfähige Sohn und Mamita Cesi
Meine Übezelle
Eine weitere Legende im Guasmo bin ich selbst… Nein Spaß, in dem Bestreben, euch mein Leben im Guasmo näherzubringen, darf ich nicht das auditorio auslassen, das ich täglich zum Horn üben betrete. So lange ein wenig Wind vom Hafen hereinweht und gerade mal nicht die Müllabfuhr mit ihrem netten Gedudel, das einen beim Üben aber zur Weißglut bringen kann, nervt, kommt man dort ganz gut zum Üben. Ich bevorzuge das auditorio sogar vor dem estudio, das eine Klimaanlage hat, da man dort direkt im Zentrum des Geschehens ist und oft irgendwer reinplatzt, um etwas zu holen oder auch völlig ignorant auf dem Schlagzeug herumzuhämmern, während man versucht, sich den Klängen Mozarts oder Straussens zu widmen…
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