Von Chillischoten und Groove

Dieses Wochenende haben wir der weiten Welt den Rücken gekehrt und haben es uns im schnuckeligen Guasmo gemütlich gemacht. Auf dem Programm stand ein scharfer Workshop und eine groovy Bandprobe.

 

Ziemlich knapp nach meiner Ankunft hier in Ecuador kam Simon auf mich zu und meinte, man er hätte Lust, mal einen Workshop über das Thema Atmung zu machen, da er bei vielen Schülern dort einige Defizite attestieren musste. Er hatte auch über einige Ecken ein Video von zwei Amerikanern, The Breathing Gym, gefunden auf dem unser Workshop letztendlich u.a. fußte. Am Samstag war es dann soweit, Simon und ich, die beiden Blasinstrument spielenden Freiwilligen der Musikschule, wollten endlich Simons Idee eines Atem-Workshops verwirklichen.

Nachdem wir unter der Woche eigentlich kaum Zeit gefunden hatten, uns vorzubereiten, (bis auf Werbung machen; so entstand das Plakat) mussten wir wohl oder übel den Gros der Vorbereitung am Samstagvormittag machen. Wohl, weil wir uns so vor dem Putztag in Clave de Sur drücken konnten.Nach getaner Arbeit übermannte uns schließlich doch das schlechte Gewissen und wir machten uns auf in die Musikschule, um zumindest noch ein bisschen mitzuhelfen. Dort versuchten wir das Auditorium, das über und über mit Vogelscheiße bekleckert ist, weil im Dach eine Taubenkolonie haust, zu säubern. Auf den Punkt gebracht, ist das Auditorium wie das Leben: Viel zu lang und beschissen.

Momentan tut sich viel in Clave de Sur. Die vergangene Woche war die erste Woche der neuen coordinadores, über den ich personell erst mal nicht so happy war. Die frisch gewählten coordinadores sind:

  • Marcos, der Autoritäre, der sich im Vorhinein unbeliebt gemacht hatte, in dem er gesagt hatte, Musiker ohne Grenzen brauche keine Freiwilligen mehr zu schicken, wenn das Geld für die Koordinatoren nicht rechtzeitig kommt
  • Jorge, der Business-Man, der wegen Job und Kindern eigentlich zu wenig Zeit hat.

Allerdings bin ich jetzt positiv (Oder wie man hier sagt: „Posi!“) überrascht. Jorge war immerhin abends immer da. Gerade wird viel von der Einrichtung verändert, aufgeräumt und Inventur gemacht. Ein Konto wurde eröffnet und ab nächstem proceso soll’s einen Drucker und eine Umsortierung der Schüler nach stark-schwach-stark-schwach usw. geben. Ich hoffe, dass dieses Engagement auch die 2 Jahre der Amtsperiode anhält…

Das Putzen des Auditoriums stellte sich schwerer als gedacht heraus, da es zwar einen Wasserschlauch gibt, dieser aber nicht bis in den hinteren Teil des Auditoriums reicht und der Boden zu allem Überfluss nicht zum einzigen Abflussloch abfällt. Also mussten wir uns mit Eimer und Besen behelfen. Schöne Scheiße!

Danach ging’s los mit dem Workshop. Hoffnungsvoll beendeten wir unsere Arbeit und machten uns auf zum frischgewienerten Teatro, um den Workshop zu beginnen. Problem: Falta la gente. (Leute fehlen)

Beide leicht enttäuscht, gingen Simon und ich unterschiedlich mit der Situation um: Er schrieb wie wild alle möglichen Schüler an, während ich für meinen Teil noch die Leute, die ohnehin schon für’s Putzen da waren, mobilisieren wollte. Beide hatten wir mittleren Erfolg, sodass wir mit einer Gruppe von ca. 10 Leuten starten konnten.

Unser Vortrag gliederte sich in eine Introducción (Einleitung), in der wir über die generelle Notwendigkeit von einer tiefen Atmung in den Bauch referierten und einen Überblick gaben, was die Teilnehmer in diesem Workshop erwarten würde, nämlich verschiedenste Atemübungen.

Wir starteten mit Übungen, die den Atemprozess bewusst werden ließ. Dazu legten wir den Teilnehmern u.a. je ein Buch auf den Bauch, das sich im Idealfall auf- und abbewegen sollte. Anschließend folgte ein Block von interaktiven Übungen mit der ganzen Gruppe, hier ließen wir unter anderem einen Stoßausatmer im Kreis herumwandern, sodass nacheinander jede Person im Takt einmal ausstieß.Darauf folgten Übungen mit Bewegung, hier war mein Favorit, ein Papierstück gegen die Wand zu blasen. Diese Übung sollte einen gleichmäßigen Luftstrom optimieren. Später ließen wir die Teilnehmer auch in Zweierteams kleine Wettbewerbe, wer das Blatt länger oben halten kann, veranstalten.

Mitten im Bewegungsteil, als wir für eine Übung alle auf dem Boden lagen, kam plötzlich eine etwas verdutzte Gruppe von ca. 10-15 Leuten hereinspaziert. Es war ein ganzer Chor, über dessen Teilnahme wir uns natürlich sehr freuten, allerdings waren sie eine ganze Stunde zu spät gekommen.

Wir gliederten den Chor ein, plötzlich waren wir an die 30 Personen und gingen zum letzten Teil über: Breathing Gym. Die Übung, die dem Workshop auch das Werbemaskottchen gab, war „El ají“ (Die Chillischote). Hierbei sollten die Teilnehmer sehr stark ausatmen, so als hätten sie gerade eine Chillischote gegessen.

Anschließend war der Workshop eigentlich zu Ende, jedoch wiederholten wir für den Chor noch mal die ersten drei Teile. Die Sänger waren sehr begeistert, stellten am Ende viele Fragen, fragten uns, ob wir in ihrer Kirche auch einen Workshop geben könnten und sammelten sogar Kleingeld zusammen, um es uns zu schenken. Das war natürlich toll, so viel an positivem Feedback zurückzukriegen.

 

Hier noch ein Video vom Workshop, das John netter Weise für den Blog von Clave de Sur zusammengeschnitten hat:

Nach zwei geschlagenen Stunden Atmerei waren wir dann halb hyperventiliert und schnitzelfertig und machten uns Richtung Simons Zuhause auf. Dort erwartete uns zu allem Überfluss nämlich noch ein gemeinsames Kochen mit John, Badman, Bapsi und special guests Aila und Tobias aus dem Projekt in Playas. Die waren auf der Durchreise zu einer Mango-Hacienda. Wir kochten unter Johns Anleitung, der ganz in seiner Rolle als maestro aufging, Schweineschnitzel mit Menestra (dickflüssige Linsensuppe), Reis und Zwiebel-Zitronen-Soße, quatschten ausgiebig mit den Leuten aus Playas und hatten echt einen netten Abend. Das ist irgendwie toll so Stück für Stück die ganzen netten Leute, mit denen ich auf einem Vorbereitungsseminar im Februar diesen Jahres Bekanntschaft machen durfte, hier in Ecuador wiederzutreffen.

Später am Abend habe ich dann zum ersten Mal den Guasmo-Schnaps schlechthin, Wanchaca in einem Trinkspiel der Playas-Leute probiert. Man kriegt diesen Schnaps hier verdammt billig an jeder Ecke und es kursieren Gerüchte, dass er oft gepanscht sei und blind mache, doch auch hier konnte John mit einem Kenner-Trick auftrumpfen: Ein Schluck auf den Handrücken gießen und wedeln. Sieht zwar leicht gestört aus, zeigt einem aber, wenn die Flüssigkeit schnell weg ist, ob dir das Zeug dein Augenlicht nimmt. Wanchaca wird in Altglas abgefüllt, d.h. man kann auch nicht wissen, ob das Zeug 0- oder 99-%ig ist. Nichtsdestotrotz gibt es keine Probleme bei der Nachfrage… Er wird überall gesoffen!


Am Sonntag wurde dann die Band aus der Traufe gehoben. Simon hatte sich ins Zeug gelegt und drei Songs arrangiert:Vicious Crown“ von Naked SuperHero, „Don’t let me down“ von den Beatles (legendäres Video vom letzten Live-Auftritt der Band beim exklusiven „Rooftop Concert“ auf dem Dach ihres Unternehmens Apple Corps – steilstes 60ger-Flair!) und Two Shoes“ von The Cat Empire. Eigentlich sollte man sich vielleicht besser zuerst unsere Aufnahmen und dann die Originale anhören, damit wir nicht gar so schlecht abschneiden…

Bapsi wechselte sich mit Jose Fabio, dem rising star von Clave de Sur, ein richtiger Music-Addict, der mir seit neuestem auch Unterricht in Jazz-Piano gibt, mit Klavier und Gitarre ab, Badman trommelte, Simon blies seine Trompete und ich krächzte mir einen ab. Alle Stücke waren für mich eher an der hohen Kante. Während den vier Stunden Proben mit chifles-Pause hatten wir echt Spaß. Hier die Resultate:

Vicious Crown“ – Naked SuperHero

Hier geht’s zum Video

Simon kennt den Trompeter dieser Band und ist ein großer Fan ihrer Musik. Wir waren uns einig, dass dies unser bester Song war. Man beachte den Schlagzeug-Ausraster am Schluss. Testosteron-Bombe!

„Don’t let me down“ – The Beatles

 

Dieser Song wurde vor allem von John angestoßen. Wie man vielleicht hören kann, hatten wir an dem Taktwechsel von 5 in 4 Viertel ganz schön zu knabbern. Auch kann ich mit der Höhe von John Lennon nicht ganz mithalten. Wie gut, dass mein Micro etwas zu leise eingestellt war… Mitten in einem Durchlauf hob John entnervt die Faust und verkündete: „No sale.“ (Etwa: Es grooved nicht.)

Two Shoes“ – The Cat Empire

 

Hier war die Schwierigkeit für mich hauptsächlich den Mix aus Rap und Gesang auf die Reihe zu kriegen. Leider war die Strophe immer ziemlich tief gelegen, sodass meine Stimme in Kombination mit der niedrigen Mikrophon-Einstellung kaum durchkam.

Doch genug der Tiefstapelei – es hat Bock gemacht und das ist, was zählt!


Randnotiz: Seit einigen Tagen ist hier übrigens der Weihnachtswahn ausgebrochen, überall glitzert’s und blinkt’s, überladene Plastiktannen schmücken die Wellblechhütten und auch vor Clave de Sur hat er nicht halt gemacht: Eine kleine Tanne schmückt unser Büro und der Handlauf des Treppengeländers wird von Lametta umgarnt. Im Chor wird Noche en paz (Stille Nacht) und Navidad, Navidad (Jingle Bells) gesungen und mir kommt das Ganze bei der Hitze und dem Sommerwetter irgendwie komisch vor.

Autor: Cons

Cons ist ein neunzehnjähriger Weltenbummler mit musikalischen Neigungen. Diese beiden Aspekte sieht er bei dem Verein Musiker ohne Grenzen (MoG) vereint und deshalb macht er jetzt für ein halbes Jahr einen musikalischen Freiwilligendienst in Ecuador, genauer Guayaquil. Er gibt dort in einem ärmlichen Viertel, Guasmo Sur, in der Musikschule Clave de Sur Unterricht für Klavier, Horn bzw. Trompete (da muss er sich an die Nachfrage anpassen) und Gesang.

3 Kommentare

  1. Pingback: Die Weihnachtslieder-Orgie | Cons entdeckt Ecuador

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