Silvester

Nun bin ich seit genau zwei Monaten hier in Ecuador. So fühlt es sich zwar noch längst nicht an, aber es ist schon so viel passiert, dass die Zeit einfach wie im Flug vergangen ist.

Das aktuellste Ereignis: Silvester.
Den Tag habe ich hier nicht mit Warten auf den Abend und Mitternacht verbracht, wie ich das sonst meistens getan habe. Stattdessen ging es in der Früh mit einer zweistündigen Surfsession in den letzten Wellen des Jahres los. Nach einer schnellen Dusche trafen wir Freiwilligen und ein paar ecuadorianische Freunde uns am Strand, um das Jahr mit einer gemeinsamen Yogastunde abzuschließen. Unter der Anleitung Christians, unserem Surflehrer, Freund und Yoga-Fan, versuchten wir Körper und Seele in Einklang zu bringen und uns währenddessen nicht von der Mittagssonne, die unsere Haut jede Minute ein bisschen mehr verbrannte, ablenken zu lassen. Nach dieser Einheit erkannte ich einmal mehr, dass Yoga echt anstrengend, Meditation echt entspannend und Sonnencreme echt wichtig ist.

Am Nachmittag ging es wieder -wer hätte das gedacht- zum Strand. Diesmal saßen wir einfach im Schatten, haben geübt die Luft anzuhalten (zum Tauchen), Sonnenbrände mit frischer Aloe Vera behandelt und schließlich hat jeder auf sein 2019 rückblickend, auf ein Papier zu jedem Monat des Jahres ein Bild gemalt.
Der Tag ging so schnell vorbei, als ich nach Hause kam, war es schon 10 Uhr abends. Da ist mir dann auf die Uhr schauend auch erst eingefallen, dass in Deutschland ja schon vor vier Stunden das neue Jahr begonnen hat. Schon eine komische Vorstellung, dass meine Familie und europäischen Freunde schon in 2020 und ich noch im Jahr davor bin…

Hier in Olón ist es eine Tradition der Surfer, um Mitternacht die letzte Welle des alten und die erste Welle des neuen Jahres zu surfen. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Nach einem kurzem Sprint durchs Dorf haben wir es rechtzeitig um Mitternacht zum Strand geschafft, wo alle Einwohner und Touristen versammelt waren, um die Feuerwerke und brennenden Haufen von Monigotes (Figuren aus Pappe mit eingebauten Sprengkörpern – eine Silvester-Tradition Ecuadors) zu bestaunen. Den Countdown haben wir zwar verpasst, aber dafür liefen wir -letztendlich ohne Surfboards- Richtung Ozean und beobachteten in den ersten Minuten zweitausendzwanzigs im Pazifik schwimmend die Feuerwerke und dutzende Lampions, die friedlich in den Nachthimmel stiegen.

Meine Familie hatte erzählt, dass es im Anschluss bei uns zu Hause ein großes Festessen und Fiesta (Party) geben würde. Anscheinend haben wir verschieden Vorstellungen davon, was ein „Festessen“ ist, es gab nämlich Reis mit Hühnchen – dasselbe Gericht, das ich schon seit drei Tagen durchgehend zu Mittag und Abend gegessen habe. Nicht nur das Menü war ernüchternd, ich fand es auch ungewohnt, dass die Familie gar nicht zusammen gegessen hat. Manche haben in der Küche im Stehen gegessen, andere in Stille am Tisch. Das fand ich schon merkwürdig, ich dachte, dass Silvester hier eine größere Sache sei, wo doch Südamerika auch für große Fiestas bekannt ist. Ich weiß nicht, wie das in anderen Familien war, aber aus einer Party wurde bei uns auch nichts, alle saßen einfach nur da und haben sich bisschen unterhalten. Da nichts passiert ist, wurde ich so langsam müde und bin schließlich um halb drei schlafen gegangen.
Wie ich später erfahren habe, sind meine Gasteltern später noch tanzen gegangen, von wo sie morgens um sieben zurückgekommen sind, also gab es anscheinend doch noch Fiesta (die ich souverän verschlafen habe).
Alles in Allem war das ein schöner Start ins neue Jahr. Auch wenn die Nacht nicht ganz so spannend war, wie ich es mir vorgestellt hatte, an das Schwimmen um Mitternacht und die Feuerwerke am Strand werde ich mich noch lange erinnern.

Ein Monigote auf seinen Einsatz wartend