Übers Wochende im Garten Enden – Zhagal

Samstagmorgen. Nach einer viel kurzen Nacht stehen Simon, ein anderer Freiwilliger aus Deutschland, mit dem ich auch über die Ferien verreisen will, Charlotte und ich vor den Gittern des Hauses der vierten im Bunde der Wochenendreisenden, Barbara. Es ist neun Uhr und die Sonne scheint auch kein Problem mit dem Frühaufstehen zu haben und will sich mal wieder selbst übertreffen. „A ver!“, rufen wir. Doch vergeblich. Nach einigen Minuten weiteren Rufens und Palaverns mit der hilflosen Gastmutter steht Barabara endlich völlig verknautscht in der Tür. Sie hat verpennt.

Am Abend vorher hatte es noch eine lange Feier gegeben, der Geburtstag von Mi Cometa, der Überorganisation meiner Musikschule, wurde gefeiert. Im Halbestundentakt wechselten sich dort in einer Bar mit ohrenbetäubender Lautstärke Live-Sänger ab, einer schnulziger als der andere. Aber die Ecuadorianer liebten es. Haben mitgesungen und getanzt. Als es dann gegen halb vier nach Hause ging, ist Barbara unermütlich noch mit zu einem anderen Ecuadorianer nach Hause gegangen, wo noch das ein oder andere Bierchen geleert wurde. Dies erklärte ihr leicht verwirrtes Auftreten („Die Gitarre?! Ach ja, ich wollte noch die Gitarre mitnehmen!“), das eventuell auf den Alkoholpegel zurückzuführen war, der noch nicht ganz abgesunken war („Ich hätte jetzt so bock auf Fritten!“).

Nach der üblichen Busfahrt, die von Kriegsfilmen und interessanten Gesprächen geprägt ist, kommen wir in Zhagal an. Der Kontakt zu Zhagal entstand, weil es dort auch ein Projekt von MoG gab, das inzwischen aber eingestellt ist. Zhagal liegt eine gute Busstunde südlich von Naranjal, von Tür zu Tür brauchen wir also etwa vier Stunden.

Dort angekommen werden wir direkt von der netten Señora abgeholt, die uns über holprige Straßen und eine wenig vertrauenserweckende Brücke zu ihrem Haus mitnimmt. Die Umgebung hat sich inzwischen im Vergleich zum Guasmo völlig verändert.

180°-Wende: Gute kühle und angenehme Luft, alles feucht und grün, neben der Straße beginnt der Regenwald, der mit exotischen Pflanzen, die man noch nie gesehen hat, lockt. Als wir durch den Kakao-Garten der Familie zum Haus laufen, nehmen wir erstmals die Stille war, die nach dem permanenten Krach im Guasmo seltsam wohl tut. Am Haus angekommen werden wir mit offenen Armen von ihrem Ehemann empfangen. Es gibt frische Papayas aus dem Garten. „Todo organico!“, beteuert er mehrmals. Das Haus ist traumhaft gelegen. Inmitten von Obst- und Kakaoplantagen liegt es an einem Fluss mit Blick auf die letzten Ausläufer des Cajas-Gebirges, die sich in den Wolken verlieren. Magisch und paradisisch wirkt das. Garten Eden eben.

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Das Ehepaar (folgend „Adam und Eva“ genannt) schlägt alsbald vor, noch einen Abstecher zu einer Therme zu machen. Wir sind freudig überrascht und einige Minuten später sitzen wir in einer camioneta, die uns durch den Wald zu den aguas calientes bringt. Die Umgebung ist ein wahres Feuerwerk der Artenvielfalt, das uns vor Augen führt, wie wenig wir von dieser kennen.

Die Therme ist angenehm warm, man hätte den ganzen Abend in diesem blass türkisen Wasser verbringen können.

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Eindeutiges Highlight meinerseits war aber eine Höhle, die wir halbnackt im Wald fanden. Adams Geheimtipp.

Allerdings lauerten dort einige Gefahren auf uns:

Höhlenmonster und Spinnen, die Barbara gar nicht mochte.

Am Abend werden wir vorzüglich bekocht. Das Essen ist ein Traum. Die Avocados sind süßlich und dick, so wie man sie in Deutschland nie kriegen würde. Es gibt Kochbananen, die gegrillt oder in zerquetschter Form als patacones serviert werden. Yuca-Wurzeln scheinen die Kartoffel zu ersetzen, so gibt es diese z.B. auch als „Kartoffelpuffer“. Und: Der eigene Kakao! – Ein Traum.

All das gibt es und alles kommt  aus dem eigenen Garten! Adam und Eva müssen nur Reis und Milch kaufen, ansonsten sind sie völlig autonome Selbstversorger. Ihre Gastfreundschaft geht sogar so weit, dass sie tatsächlich jegliche Aktivität mit uns gemeinsam unternehmen. Sie haben sich Zeit  für uns genommen.

Abends wird viel Musik gemacht, Eva singt uns sogar ein ecuadorianisches Lied vor:

 

Gut, dass Barbara die Gitarre mitgenommen hat. Doch auch sie selbst singt sehr leidenschaftlich. Hier links sehr schön getroffen mit mir am Rhythmus-Ei.

 

 

Am nächsten Tag unternehmen wir eine Wanderung.  „Da hoch wollen wir!“, sagen wir dem Ehepaar mit ausgestrecktem Arm gen Berge, die diese Idee etwas befremdlich finden. Die magischen Wolken am Horizont lassen uns einfach nicht los und Adam und Eva lassen sich schnell überzeugen. Alsbald machen wir uns auf mit Gummistiefeln und einer menge Vorfreude.

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Hinterher ist Eva doch sehr dankbar, dass wir sie dort hinaufgeschleppt haben.

Tja, diese Deutschen mit ihrer Wanderlust…

Irgendwie gefällt uns das alles hier so gut, dass wir gerne noch länger bleiben würden. Den Guasmo mit seiner dreckigen Luft, seiner Hitze und dem Lärm haben wir kaum vermisst. Also entschließen wir uns sehr spontan, noch eine Nacht zu bleiben und nehmen erst am Montagmorgen in aller Frühe (gegen vehementen Widerstand seitens Barbaras) den Bus nach Guayaquil, um um punkt zehn in Clave de Sur auf der Matte zu stehen. Die Pflicht in Form von Jorge, meinem ersten Schüler am Montag, ruft…

Autor: Cons

Cons ist ein neunzehnjähriger Weltenbummler mit musikalischen Neigungen. Diese beiden Aspekte sieht er bei dem Verein Musiker ohne Grenzen (MoG) vereint und deshalb macht er jetzt für ein halbes Jahr einen musikalischen Freiwilligendienst in Ecuador, genauer Guayaquil. Er gibt dort in einem ärmlichen Viertel, Guasmo Sur, in der Musikschule Clave de Sur Unterricht für Klavier, Horn bzw. Trompete (da muss er sich an die Nachfrage anpassen) und Gesang.

6 Kommentare

  1. Pingback: Ein seelisches Fußball – Churute | Cons entdeckt Ecuador

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